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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Beatrice überhaupt nicht einordnen konnte. Es hörte sich an wie eine Mischung zwischen Chinesisch und einem indianischen Dialekt. Als er merkte, dass sie ihn nicht verstand, schüttelte er den Kopf und versuchte es mit einer anderen Sprache. Diesmal klang es schon vertrauter. Beatrice war nicht wenig überrascht, als sie nach einer Weile erkannte, dass er wohl Italienisch sprach.
    »Io non parlo italiano«, sagte sie und kramte die wenigen Worte wieder hervor, die ihr von einer Reise durch die Toskana noch im Gedächtnis geblieben waren, »Parlo Tedesco, Inglese, Latino, Arabo…«
    »Arabisch? Du sprichst arabisch? Das ist gut!«, rief der Mann aus. »Das erleichtert vieles. Ich fürchtete schon, dass wir uns vielleicht gar nicht verständigen können. Die Sprachen, die du genannt hast, sind mir nämlich unbekannt, und mein Latein…« Er lächelte verlegen. »Nun ja, vergessen wir das lieber. Wie ist dein Name?«
    Wenn Beatrice sich eben nur gewundert hatte, so war sie jetzt fassungslos. Sie traute ihren Ohren kaum und starrte den Mann an, als wären plötzlich Hörner aus seiner Stirn gewachsen. Ob sie es nun wahrhaben wollte oder nicht, er sprach tatsächlich denselben Dialekt, den sie während ihres Aufenthalts in Buchara gelernt hatte. Aber wie war das möglich? So viele verschiedene Sprachen in Europa gesprochen wurden, so viele Dialekte gab es im arabischen Raum. Einen arabisch sprechenden Europäer zu treffen, war allein schon eine Seltenheit. Aber wie hoch mochte die Wahrscheinlichkeit sein, dass man einen Europäer traf, der denselben mittelalterlichen Dialekt beherrschte? Es konnte sich also nur um einen Zufall handeln. Einen überdimensional großen Zufall, oder sie war wieder in Buchara gelandet. Aber wieso trug er dann asiatische Kleidung?
    »Schade. Ich fürchte, du verstehst mich doch nicht«, fuhr der Mann fort. Der Ausdruck seiner braunen Augen wurde traurig. »Oder willst du mir deinen Namen nicht sagen? Wenn ich dir mit meiner Frage zu nahe getreten bin, so bitte ich dich um Verzeihung. Aber ich wollte nur…«
    »Nein, nein«, fiel Beatrice ihm rasch ins Wort. »Ich habe dich sehr gut verstanden. Ich war nur… ein wenig überrascht.« Sie lächelte verlegen. »Mein Name ist Beatrice. Beatrice Helmer.«
    »Ich bin erfreut, deine Bekanntschaft zu machen, Beatrice Helmer«, sagte der Mann und verbeugte sich steif und umständlich. »Mein Name ist Maffeo Polo. Ich…«
    »Polo?«, rief Beatrice aus. »Sagtest du eben, du heißt Marco Polo?«
    »Nein, nicht Marco. Mein Name ist Maffeo«, antwortete der Mann und sah Beatrice forschend an. »Marco ist mein Neffe. Du kennst ihn?«
    Beatrice räusperte sich und musste husten. Irgendjemand hatte wohl den Sauerstoff aus der Luft in diesem Raum entfernt. Oder weshalb konnte sie plötzlich nicht mehr richtig atmen?
    »Nein«, brachte sie schließlich mühsam hervor. Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Krächzen. Marco Polo! Maffeo Polo! Wenn ihre Geschichtskenntnisse sie nicht im Stich ließen, so konnte das nur bedeuten, dass sie sich hier und jetzt, genau in diesem Augenblick, etwa im 13. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung in China am Hofe von Khubilai Khan…
    Das Zimmer begann sich um sie zu drehen. Beatrice schloss die Augen. Als sie sie kurz darauf öffnete, waren Möbel und Wände wieder vernünftig geworden. Sie standen still an ihren Plätzen, so wie es sich gehörte.
    »Nein«, sagte sie noch einmal. Ihre Stimme klang beinahe wieder normal. »Ich kenne Marco Polo, deinen Neffen, nicht – wenigstens nicht persönlich. Aber ich habe bereits von ihm gehört.«
    Das ist noch nicht einmal gelogen, dachte Beatrice und musste sich auf die Lippe beißen, um nicht laut zu lachen. Mit einem Mal fühlte sie sich heiter und beschwingt. So musste jemandem zumute sein, der gerade einen Joint geraucht hatte. Die Realität war nicht nur meilenweit weg, sie war noch dazu urkomisch.
    Maffeo seufzte und senkte den Blick. Etwas schien den alten Mann zu bedrücken. Beatrice bemühte sich, ernst zu bleiben, obwohl das Lachen aus ihr herauszuplatzen drohte wie Popcorn. Aber sie wollte diesen netten älteren Herrn auf keinen Fall durch unbedachtes Gelächter verletzen.
    »Ich weiß, sein Ruf eilt ihm voraus«, sagte er leise und seufzte wieder. »Aber ich kann leider nichts dagegen tun. Marco hört schon lange nicht mehr auf mich. Selbst sein Vater, mein Bruder Niccolo, ist machtlos. Aber…«, er schaute auf und lächelte Beatrice an »… ich sollte dich

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