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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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nicht mit unseren Familiengeschichten langweilen. Erzähle mir von dir. Wo ist deine Heimat?«
    »Ich komme aus Deutschland«, antwortete Beatrice. Dann fiel ihr plötzlich ein, dass es Deutschland zu Maffeos Zeit vermutlich noch gar nicht gegeben hatte und er folglich auch mit diesem Begriff nichts anfangen konnte. »Meine Heimatstadt heißt Hamburg und liegt nördlich des Flusses Rhein.«
    »Ich kenne den Rhein«, sagte Maffeo und nickte lächelnd. »Nicht, dass ich jemals selbst dort gewesen bin, aber ich habe davon gehört. Kaufleute aus Venedig, die venezianisches Tuch und Glas an den Hof eures Kaisers verkaufen, haben mir mal davon erzählt. Ihren Berichten nach zu urteilen, muss der Rhein ein ziemlich großer Fluss sein.« Er nickte wieder. »Darf ich dich fragen, wo du so ausgezeichnet Arabisch gelernt hast? In deiner Heimat doch gewiss nicht.«
    Beatrice spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. So ein harmloser alter Mann, und dann plötzlich, ganz ohne Vorwarnung, eine so gezielte Frage, dass sie einem Agenten aus einem amerikanischen Thriller alle Ehre gemacht hätte.
    »Ich habe einige Zeit im Harem des Emirs von Buchara verbracht.«
    »Verzeih mir, ich bin ein alter Narr.« Verlegen senkte Maffeo den Blick, und Beatrice beruhigte sich wieder. »Ich wollte dir mit meiner unbedachten Frage nicht zu nahe treten. Auch ich war in Buchara. Allerdings bin ich Kaufmann und… Nun, das ist alles nicht so wichtig. Du brauchst Ruhe und nicht das sinnlose Geschwätz eines alten Mannes. Außerdem hast du bestimmt Hunger.«
    »Nein«, erwiderte Beatrice und war im gleichen Augenblick selbst überrascht. In den vergangenen fünf Monaten hatte sie eigentlich dauernd Hunger gehabt. Teilweise war es so schlimm, dass die Kollegen und Schwestern auf der Notaufnahme sogar damit begonnen hatten, Obst, Joghurt und Knäckebrot überall in den Schränken auf der Station zu verteilen, damit Beatrice nicht jede Weile zum Kühlschrank im Aufenthaltsraum zurücklaufen musste. Nicht hungrig zu sein war ein ganz neues Gefühl. Doch dann fiel Beatrice wieder ein, weshalb sie vor Antritt ihrer »Reise« ins Krankenhaus gekommen war. Und mit einem Schlag war ihre Heiterkeit verschwunden. War im Krankenhaus etwas schiefgegangen? War etwa…
    Ihr wurde vor Angst übel, und ihr Herz begann zu rasen. Was sollte sie tun, wenn das Kind nicht mehr da war? Wie sollte sie eine… Es war ihr unmöglich, an dieses Wort auch nur zu denken, dieses furchtbare Wort, dass das unausweichliche Ende bedeuten würde. Das Ende für ein Leben, das noch nicht einmal richtig begonnen hatte.
    Beatrice schloss die Augen. Sie traute sich kaum, eine Hand auf ihren Bauch zu legen. Sie musste ihren ganzen Mut zusammennehmen, um endlich zaghaft die Bauchdecke zu berühren. Die Wölbung war noch da. Aber das musste nichts heißen. Auch nach einer Fehlgeburt wurde der Bauch nicht sofort flach, sondern bildete sich erst im Laufe einiger Tage zurück. Außerdem war sie bei Weitem nicht so rundlich geworden wie andere Frauen in diesem Stadium der Schwangerschaft. Also, was… Doch in diesem Augenblick bewegte sich unter ihrer Hand etwas. Das Kind! Es fühlte sich an, als schmiegte es seinen Kopf in ihre Hand, um sie zu trösten. Und ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, begann Beatrice zu weinen. Wie Sturzbäche liefen die Tränen über ihr Gesicht, und sie schluchzte hemmungslos. Sie konnte gar nicht mehr aufhören.
    Besorgt trat Maffeo an ihr Bett.
    »Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung«, sagte er und strich ihr behutsam und ungeschickt über das Haar. Offensichtlich hatte er keine Erfahrung im Umgang mit hysterischen, schwangeren Frauen. »Alles wird gut. Ich hätte wissen müssen, dass dich unser Gespräch zu sehr anstrengt. Es tut mir leid.«
    »Nein, es war nur…« Beatrice versuchte, sich die Tränen von den Wangen zu wischen. Es war sinnlos. Sofort flossen wieder neue nach. »Für einen Augenblick dachte ich, ich hätte mein Kind verloren.«
    »Oh, ich verstehe«, sagte Maffeo ein wenig ratlos und legte schließlich einen Arm um sie. »Aber glaube mir, du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Es wird alles wieder gut.«
    Beatrice umschlang seinen Hals. Es war ihr schon fast peinlich, sich vor den Augen eines Wildfremden so gehen zu lassen. Aber musste es ihr wirklich peinlich sein? Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen, das der Vater in seine Arme genommen hatte, um es zu trösten. Und je mehr sie weinte, umso besser fühlte sie sich. Wie ein

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