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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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du wohl die Augen öffnen, sagte sich Beatrice.
    Aber sie wagte es nicht. Sie dachte daran, was sie das letzte Mal erlebt hatte, als der Stein sie entführt hatte. Nachdem ihr in der OP-Schleuse schwindlig geworden war, war sie im Kerker des Sklavenhändlers von Buchara wieder zu sich gekommen. Auch heute noch konnte sie deutlich die erbärmliche, schmutzige Umgebung vor sich sehen, das feuchte, schimmlige Stroh, bedeckt mit den Ausscheidungen der Gefangenen. Und natürlich erinnerte sie sich auch an die mitleiderregenden Kreaturen mit ihren schiefen, verfaulten Zähnen und den eiternden Wunden, die sie nur mit viel Fantasie als menschliche Wesen hatte identifizieren können. Sie hatten sie angestarrt, als wäre sie ein Wesen von einem anderen Stern. Wollte sie sich das alles wirklich noch einmal antun? Wieder in den Armen eines fetten, schmierigen Sultans landen? War es nicht besser, die Augen einfach geschlossen zu halten, liegen zu bleiben und darauf zu warten, dass der Stein sie eines Tages zurückbringen würde – ganz von selbst?
    »Talitha kumi.«
    Da war diese Stimme wieder – drängend, fordernd, wie eine Zauberformel. Und plötzlich blieb ihr nichts anderes übrig. Ob sie wollte oder nicht, sie musste dieser Stimme gehorchen.
    Beatrice öffnete die Augen und setzte sich auf. Im selben Moment stieß jemand einen Schrei aus. Der schmächtige Mann, der offenbar neben ihrem Bett gestanden hatte, sprang zurück und starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an. Er schien überrascht, als hätte er nicht damit gerechnet, dass seine Zauberformel so gut wirken würde.
    Beatrice ließ hastig den Blick umherschweifen. Sie musste schließlich wissen, was sie jetzt erwartete. Das, was sie sah, erstaunte sie sehr. Vermutlich war sie sogar überraschter als der Mann neben ihrem Bett. Sie befand sich nämlich weder in einem Kerker noch in einem anderen unerfreulichen Milieu. Das Erste, was ihr beim Anblick ihrer neuen Umgebung einfiel, war ein einziges Wort – China. Dieses Wort beschrieb alles.
    Beatrice saß in einem schmalen Bett mit zierlichen Pfosten aus dunklem, auf Hochglanz poliertem Holz. Warme Decken lagen über ihren Beinen, und neben dem Bett stand ein Becken mit glühenden Kohlen. Abgesehen von dem Bett gab es nur zwei niedrige Tische aus dem gleichen dunklen Holz, zwei Stühle mit niedrigen Sitzflächen und einen Schrank mit bestimmt mehr als einem Dutzend kleiner Schubladen. Trotz allem machte der Raum keinen armseligen Eindruck. Im Gegenteil. Jemand, der seine Wohnung so geschmackvoll einrichten konnte, musste wohlhabend sein. Die wenigen, mit Bedacht ausgewählten und platzierten Möbelstücke verliehen dem Zimmer eine wohltuende Ruhe. Hier herrschten der Friede und die Gelassenheit eines Bergs; vielleicht war es ja die Gelassenheit jenes Bergs auf der farbigen Tuschezeichnung, die als einziger Schmuck an der holzgetäfelten Wand gegenüber dem Bett hing.
    Nachdem sie sich ausreichend umgesehen hatte, wandte Beatrice ihren Blick dem Mann zu. Er war schon etwas älter, sie schätzte ihn auf mindestens fünfzig, vielleicht sogar sechzig Jahre. Sein dichtes, leicht krauses Haar und seine Augenbrauen waren grau, sein freundliches, gütiges Gesicht war von Falten durchzogen. Er trug ein weites, bunt gefärbtes Obergewand, das fast bis zu seinen Knien reichte, einen breiten ledernen Gürtel mit einer schlichten Schnalle, eine braune Hose und kniehohe, fellbesetzte Lederstiefel mit flacher Sohle, die aussahen, als hätte er sie im Laden des Museums für Völkerkunde erworben, als dort gerade eine Ausstellung zum Thema Nomadenvölker stattfand. Seine Kleidung erinnerte Beatrice ein wenig an die Bilder von antiken chinesischen Soldaten, die sie in Bildbänden über die chinesische Kunst und Kultur gesehen hatte; oder eher noch an die Darstellungen mongolischer Krieger. Nur das Gesicht des Mannes passte nicht zu seiner Kleidung. Es war kein asiatisches Gesicht. Ihm fehlten die schräg geschnittenen Augen, die dunklere Hautfarbe, die flache Nase und die breiten Wangenknochen. So chinesisch der Raum und die Kleidung des Mannes auch waren, Beatrice hätte Wetten darauf abschließen mögen, dass er selbst Europäer war. Er betrachtete sie misstrauisch aus sicherer Entfernung, als würde er fürchten, sie könnte jeden Augenblick aus dem Bett springen und über ihn herfallen.
    Nachdem sie sich eine Zeit lang gegenseitig stumm angestarrt hatten, kam der Mann schließlich näher. Er sagte etwas in einer Sprache, die

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