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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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er.
    »Gut, es sei, wie du sagst. Du bist mein Freund, und ich vertraue dir. Ich weiß, dass dir das Leben des großen Khans und die Sicherheit unseres Volkes ebenso am Herzen liegt wie mir. Aber sie ist ein Weib und somit in der Lage, Herz und Verstand zu verwirren. Selbst die tapfersten und treuesten Männer sind schon über das Antlitz und den Liebreiz einer schönen Frau gestrauchelt und zu feigen Verrätern geworden. Deshalb sage ich dir: Sollte sich jemals herausstellen, dass sie unter dem Vorsatz zu uns kam, meinem Bruder oder unserem Reich Schaden zuzufügen, und sei es auch nur ein Verdacht, werde ich nicht zögern und sie auf der Stelle töten lassen.«
    »Sollte dieser Fall eintreten, so werde ich selbst das Todesurteil vollstrecken«, erwiderte Maffeo und verneigte sich. »Sei unbesorgt, Dschinkim, Bruder und Thronfolger des großen und mächtigen Khubilai Khans. Meine Kraft und mein Leben gehören Khubilai Khan. Ich diene dem mongolischen Volk. Und das werde ich nicht vergessen. Nicht für einen einzigen Augenblick.«
    Abrupt drehte sich Dschinkim um und stürmte mit langen Schritten aus dem Zimmer. Laut fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Geistesabwesend schaute Maffeo ihm nach. Ja, er würde sein Versprechen halten und auf die Fremde Acht geben. Und nicht nur das. Sobald er wusste, dass sie frei von bösen Absichten war, würde er mit ihr reden – über den Stein. Er hatte so unendlich viele Fragen. Fragen, die ihn seit Jahren in seinen schlaflosen Nächten beschäftigten. Fragen, die ihm bisher niemand hatte beantworten können. Vielleicht wusste sie mehr als er. Vielleicht kannte sie die Antworten, nach denen er so lange vergeblich gesucht hatte. Allerdings musste sie zuerst das Bewusstsein wiedererlangen.
    Maffeo trat näher an das Bett, schlug die Decken zurück und betrachtete die Fremde. Sie lag regungslos auf dem Rücken wie eine verstorbene Königin, die auf ihre Beisetzung wartet. Aus einem Impuls heraus legte er seine Hand auf ihren schwangeren Bauch. Das Kind schien die Berührung zu spüren und begann sich unter seiner Hand zu bewegen. Maffeos Herz wurde schwer. Das Kind war so lebendig. Doch was sollte aus dem Ungeborenen werden, wenn seine Mutter das Bewusstsein nicht wiedererlangte? Nach Li Mu Bais Aussage war die Niederkunft noch lange nicht zu erwarten. Wie sollte das Kind die Zeit überleben ohne die Lebenskraft seiner Mutter?
    Maffeo ergriff die rechte Hand der Frau. Sie war kühl, doch war es nicht die Kälte des Todes. Er konnte fast spüren, wie das Blut durch ihre Adern floss – ungewöhnlich langsam, aber lebendig. Er legte seine andere Hand, in der er den Stein hielt, auf ihre Stirn. Die Stirn war warm. Die Frau lebte, sie atmete. Doch warum wachte sie nicht auf? Warum stand sie nicht auf? Da fiel ihm eine Passage aus der Bibel ein, ein Satz aus dem Evangelium nach Lukas.
    »Talitha kumi«, flüsterte Maffeo und schloss die Augen wie zum Gebet. »Talitha kumi.«

4
     
     
     
    Wärme. Hitze. Feuer. Auf ihrer Stirn brannte es, und Hunderte wirre, ungeordnete Gedanken schossen durch Beatrices Kopf. Es fühlte sich an, als würde jemand gerade ein glühendes Eisen auf ihre Stirn pressen. Waren das Erste-Hilfe-Maßnahmen im Krankenhaus? Hatte sie vielleicht einen Herzstillstand erlitten? War das, was sie als Hitze empfand, in Wahrheit das Kontaktgel, mit dessen Hilfe ihr die EEG-Elektroden auf die Stirn geklebt wurden? Fieberhaft suchte Sie nach einer Erklärung.
    Oder aber war es schon wieder passiert. Vielleicht hatte der Stein sie an einen Ort gebracht, an dem sie jetzt gefoltert wurde. Gefoltert für ein Vergehen, das sie gar nicht begangen haben konnte, weil sie sich bis vor wenigen Sekunden an einem anderen Ort und in einem anderen Zeitalter aufgehalten hatte. Oder war sie etwa wieder in die schmierigen Hände brutaler Sklavenhändler gefallen, die mit einem Brandeisen ihren »Neuzugang« für den Rest des Lebens als ihr Eigentum kennzeichneten? Doch warum tat es dann nicht weh? Sie spürte zwar die Hitze, und ihre Stirn brannte, aber sie fühlte dabei keinen Schmerz. Im Gegenteil, die Hitze breitete sich in ihrem Körper aus und durchflutete sie mit wohliger Wärme; wie ein heißer Ofen jemanden durchwärmt, der den ganzen Tag bei eisiger Kälte draußen gewesen ist. Und woher kam diese Stimme, die leise, aber eindringlich immer das Gleiche wiederholte: »Talitha kumi – Mädchen, ich sage dir, stehe auf«?
    Wenn du jemals herausfinden willst, was hier los ist, musst

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