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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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danach durften sich die Untertanen erheben. Zum Glück verließ der junge Europäer als einer der Ersten nach der kaiserlichen Familie den Thronsaal, und Beatrice musste sich seine unverschämten Blicke nicht mehr gefallen lassen.
    »Meine Güte, ich bin steif wie eine Neunzigjährige«, sagte sie zu Maffeo, der ihr beim Aufstehen half. »Und in den Beinen habe ich überhaupt kein Gefühl mehr.«
    »So ist es mir anfangs auch immer ergangen«, erwiderte Maffeo und griff ihr unter die Arme. »Aber keine Sorge, mit der Zeit wirst du dich daran gewöhnen.«
    »Fragt sich bloß, ob ich das überhaupt will«, sagte Beatrice und bis die Zähne zusammen. Das Nervenkribbeln setzte gerade ein. Tausende kleiner spitzer Nadeln, die in ihre Haut stachen, als würden Hunderte von kleinen Kobolden ihre Beine mit winzigen Nähmaschinen bearbeiten. »Wenn ich ehrlich bin, will ich nur eines – auf dem schnellsten Wege wieder nach Hause.«
    Maffeo wurde ernst. Er sah sich rasch um, aber das Gewirr und Gewimmel von Menschen um sie herum, die sich in allen bekannten und unbekannten Sprachen unterhielten, war so laut, dass niemand auf sie achtete. Und auch Maffeos Bruder Niccolo war verschwunden. Trotzdem senkte er seine Stimme zu einem Flüstern.
    »Dass du diesen Wunsch äußerst, kann nur bedeuten, dass du noch nicht viel über den Stein und seine Macht weißt, Beatrice«, sagte er. »Du kommst wieder nach Hause, so viel ist gewiss. Der Stein sorgt für seine Hüter. Aber es ist kein Zufall, dass du ausgerechnet hierher geführt wurdest. Der Stein hat dir eine Aufgabe zugedacht. Und erst, wenn du diese erfüllt hast, lässt er dich wieder gehen.«
    Beatrice seufzte. Wieso nur mussten alle immer in Rätseln sprechen, wenn es um den Stein der Fatima ging? Frau Alizadeh, die alte Frau, von der sie ihren Stein bekommen hatte, hatte es getan, und Maffeo setzte diese Tradition fort. Es war lästig.
    »Kannst du mir denn wenigstens sagen, um welche Aufgabe es sich handelt? Dann könnte ich mich heute noch darum kümmern und rechtzeitig zum Frühstück wieder daheim in meiner eigenen Wohnung sein.«
    Maffeo schüttelte den Kopf. »Nein, Beatrice, diese Frage kann dir niemand beantworten. Du musst es schon selbst herausfinden – wie jeder Hüter.«
    »Nett, dass du mich aufheitern willst.«
    »Sei nicht ungeduldig«, erwiderte Maffeo und legte ihr aufmunternd eine Hand auf den Arm. »Es wird schon alles seinen rechten Gang gehen. Und nun zerbreche dir nicht mehr den Kopf. Auch die längste Reise beginnt mit einem Schritt. Auf diesen solltest du deine Gedanken und deine Kraft richten, dann ergibt sich alles andere wie von selbst.«
    Beatrice seufzte. Diese asiatische Gelassenheit – sie zweifelte stark daran, dass sie sich jemals an sie gewöhnen würde. Aber sie musste sich fügen, ob sie nun wollte oder nicht.
    Wenn Maffeo schon nicht bereit ist, mir mehr über den Stein der Fatima zu erzählen, dachte Beatrice, wird er mir vielleicht andere Fragen beantworten.
    »Wer war das eigentlich, der zwei Reihen vor dir und deinem Bruder gesessen hat?« Sie versuchte, dabei nicht rot zu werden. Ihr Interesse an dem Mann war ihr selbst peinlich. »Ein Europäer. Etwa Mitte zwanzig, mittelgroß, schlank, dunkles, leicht gewelltes Haar…«
    Maffeo warf ihr einen kurzen, forschenden Blick zu, einen Blick voll väterlicher Strenge.
    »Du meinst den dunkelhaarigen Mann in der Kleidung der Ehrengarde des Khans?« Beatrice nickte und Maffeo stieß einen verzweifelt klingenden Seufzer aus. »Das war Marco, mein Neffe, der Sohn meines Bruders Niccolo.« Er rieb sich die Stirn, als hätte er plötzlich Kopfschmerzen. »Ich wusste, dass das passieren und er früher oder später deine Aufmerksamkeit erregen würde. Er zieht immer alle Blicke auf sich. Selbst wenn er sich unter Tausenden von Menschen versteckt, fällt er auf. Der Herr im Himmel allein weiß, wie er das zu Wege bringt. Manchmal frage ich mich…« Er brach ab und schüttelte sich.
    Beatrice fand Maffeos Verhalten mehr als seltsam. Sicher, Marco war ein junger attraktiver Mann, viel attraktiver als alle anderen Männer, die sie bisher am Hof des Khans zu Gesicht bekommen hatte. Ein Mann, der vermutlich seinen Charme überaus geschickt einsetzen konnte und dem sicherlich viele Frauen zu Füßen lagen. Und wenn die Geschichtsbücher recht hatten und er tatsächlich so hoch in der Gunst des Kaisers stand, so musste er in der Tat ein besonderer Mensch sein. Aber war das ein Grund, so grau im Gesicht

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