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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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zu werden? Marco Polo… Sie konnte es immer noch nicht fassen.
    »Lass uns später noch einmal darüber reden. Es gibt andere, erfreuliche Dinge, die ich dir noch nicht mitgeteilt habe«, sagte Maffeo. Doch Beatrice hatte den Eindruck, dass er einfach nur das Gesprächsthema wechseln wollte. »Khubilai Khan hat uns zu sich gerufen.«
    »Was, mich auch?«
    »Ja.«
    Beatrice schluckte. Ihr Herz begann zu klopfen. Vergessen war Marco Polo.
    »Warum?«
    Maffeo zuckte mit den Schultern. »Ihm ist deine Anwesenheit zu Ohren gekommen. Jeder, der in seinem Palast lebt, muss vor seine Augen treten. Der große Khan will seine Untertanen kennen.«
    »Und wann sollen wir…«
    »Jetzt. Er erwartet uns in wenigen Augenblicken. Wir sollten uns beeilen.« Maffeo lächelte ihr aufmunternd zu. »Keine Angst, der Khan wird dir nichts tun. Im Gegenteil, du wirst Khubilai mögen.«

8
     
     
     
    Schweigend machten sie sich auf den Weg zu den Privatgemächern des Khans.
    Der Palast war ein Kunstwerk, ein Wunder der Architektur. Er war so verwinkelt und weitläufig gebaut, dass er eher einer Stadt denn einem Gebäude glich; einer Stadt mit schmalen lauschigen Gassen, breiten prachtvollen Straßen, Parks und Gärten, Teichen, Flussläufen, Lauben und Tempeln.
    Wie kann nur ein ungebildeter Mensch, ein Krieger, ein einfacher Hirte so etwas erschaffen?, dachte Beatrice.
    Nie zuvor, nicht einmal in Buchara, hatte sie so viel Schönheit und Vollkommenheit auf einmal gesehen.
    Oder hatte Khubilai Khan die kaiserliche Sommerresidenz, so wie sie jetzt aussah, in Wirklichkeit gar nicht eigenhändig geplant? War es nicht viel wahrscheinlicher, dass er chinesischen Baumeistern den Entwurf überlassen hatte? Geld spielte wohl kaum eine Rolle, da die Plünderungen der von dem Mongolen unterjochten Völker der Staatskasse ständig neuen Zufluss brachten. Schier unerschöpflicher Reichtum und das aufgeblähte Ego eines »Weltherrschers«, gepaart mit dem Wissen und der Bildung der Chinesen, die bereits zu Marco Polos Zeit ein Jahrtausende altes Kulturvolk waren – eine solche Kombination war ideal, um ein Bauwerk wie dieses zu erschaffen. Kristallpalast – ein Name voller Magie. Für die Sommerresidenz hätte man sich keinen besseren denken können. Wenn es auf dieser Welt einen Ort gab, an dem man an das Wirken von Zauberei, die Macht der Wunder, an Elfen, Feen und Märchenprinzen glauben konnte, so war das hier.
    Während Beatrice mit Maffeo den Palast durchquerte, hatte sie Gelegenheit, neben der kunstvollen Architektur auch die kostbaren Möbel, die feinen, edlen Teppiche, die Vasen und die seidenen Paravents und Bilder zu bewundern. Jede einzelne dieser Kostbarkeiten war sorgfältig ausgewählt und stand oder hing genau an dem Platz, an dem sie am besten zur Geltung kam. Hatte Khubilai Khan diese Beutestücke selbst arrangiert? Oder hatte er sich neben den besten Baumeistern auch noch chinesische Innenarchitekten geleistet, um den Gesamteindruck von Ruhe und Vollkommenheit nicht zu zerstören?
    Beatrice dachte an Maffeos Worte. »Du wirst Khubilai mögen«, hatte er gesagt. Doch wie sollte es ihr gelingen, einen Mann wie Khubilai Khan zu mögen? Einen Mann, der brutale Feldzüge gegen jedes Volk geführt hatte, das es wagte, sich seinem Eroberungswahn in den Weg zu stellen. Einen Mann, der seine Widersacher auf bestialische Art und Weise umgebracht haben soll. Einen Mann, der Hunderte von Frauen zu Liebesdiensten zwang, sodass selbst Nuh II. der Emir von Buchara, im Vergleich zu ihm als harmloses, impotentes Männlein erscheinen würde. Einen Mann, der die besten Baumeister eines ihm überlegenen Kulturvolkes dazu gezwungen hatte, in seinem Namen dieses Bauwerk zu errichten. Solch einen Mann konnte man hassen, man konnte ihn verabscheuen, bestenfalls vielleicht fürchten – aber auf gar keinen Fall mögen.
    Sie kamen zu einer großen Flügeltür, vor der zwei Wachen standen. Es schienen Mongolen zu sein. Ihre Gesichter waren breit und dunkel, mit zotteligen schwarzen Schnurrbärten.
    Dunkles lockiges Haar schaute unter ihren spitz zulaufenden Helmen hervor. Sie trugen lederne, mit Metallplatten und -schienen verstärkte Rüstungen und kleine schwarze Schilde, vermutlich aus Eisen oder einem anderen Metall. Jeder hatte seine rechte Hand am Griff seines blitzenden Krummschwertes, das an ihren Gürteln baumelte. Sie sahen so grimmig aus, als wollten sie sich sofort auf jedes Wesen stürzen, das sich nur in die Nähe dieser Tür wagte. Trotzdem

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