Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
Jacke über und betrachtete sich wohlgefällig im Spiegel. Sie wußte, daß sie nie besser aussah als in ihrem Reitdress; aber heute litt sie an der Vorstellung, daß die schwarze Samtkappe und die frech gebundene Krawatte sie doch fast zu jung wirken ließen.
Vielleicht kam das daher, weil Bill sie in seinen Schutz genommen hatte und sie wie ein verwöhntes Kind behandelte. Immerhin war sie dreiundzwanzig, und Hauptmann Hillford schien das zumindest erfaßt zu haben und behandelte sie mit weit mehr Höflichkeit als Bill. Es war schlimm — Beth runzelte die Stirn — , wenn man jemanden schon ein Leben lang kannte! Bill war ihr einfach zu vertraut. Es wäre wirklich mal eine nette Abwechslung, heute mit dem Hauptmann zusammen zu sein...
»Hier, guck dir mal diese scheußliche Halsbinde an.« Jerry kam in ihr Zimmer. Er hatte die Krawatte um den Hals geschlungen, als hätte er Halsschmerzen.
»Du bist zu ungeschickt!« rief Beth böse aus. »Ich habe sie so schön gebügelt, und jetzt siehst du wie ein richtiger Straßenbengel aus! Komm her!«
»Das kommt, weil hinten vorn ist«, erklärte Jerry äußerst einleuchtend. »Wenn ich’s am Bettpfosten ausprobiere, kann ich’s prima, aber jetzt sieht alles ganz anders aus... Oh... jetzt ist es zu eng! Du willst wohl, daß ich im Gesicht ganz blau werde und beim ersten Sprung ’runterfalle!? Das wird bestimmt passieren, wenn du die Nadel noch hineinsteckst!«
»Dir passiert gar nichts, du Kindskopf«, beruhigte ihn seine Schwester und schob ihn durch die Tür zu dem Spiegel in der Halle. Sie zog dabei sein Jackett glatt und wischte den Staub von seiner Kappe. »So, jetzt kannst du dich sehen lassen.«
»Hallo«, ertönte eine Stimme von der Haustür her. »Welch reizendes Paar!« Hauptmann Hillford stand vor ihr mit der Jagdkappe in der Hand.
»Oh, guten Tag, wir sind gerade fertig. Die Pferde warten schon. Aber ich dachte, Sie würden direkt zur Jagd fahren, wohin wir auch Sahib für Sie bringen wollten.«
»Aber nein, der Ritt dorthin macht ja erst richtig Spaß! Ich habe mich schon so darauf gefreut!«
»Ich komme mit!« erklärte Jerry drohend. »Mutter, wo sind meine Butterbrote?«
In einer Minute kam er wieder, ein riesiges Paket in der Hand, und sie liefen alle drei in den Hof. Beth ging voran und öffnete stolz das Tor. Sahib sah wundervoll aus. Sein kurzes Fell glänzte im Sonnenschein wie Seide. Beim Anblick des Unbekannten warf er den Kopf zurück und blies die Nüstern auf. Die kleine dunkle Fidget war hübsch und lebhaft und ruhig wie immer, während Maus, das graue, kräftige und muskulöse Pony, ständig ein Ohr vor- und zurückklappte und mit den Hufen stampfte.
»Das sind wirklich drei schöne Tiere«, bestätigte der Hauptmann bewundernd. »Auf die können Sie stolz sein! Ein reizendes Pony! Ich habe seit langem nichts so Hübsches gesehen — fast so wie unsere argentinischen Zuchtponys.«
Bei diesem Kompliment guckte Jerry den Hauptmann schon etwas weniger angriffslustig an. Er steckte seine Butterbrote in die Tasche und zog den Sattelgurt von Maus etwas fester. Hillford hielt das Tor auf und ließ die anderen erst durch, bevor er aufstieg, und dann senkte Sahib den Kopf, krümmte den Rücken und bockte in Richtung des Hauses. Der Hauptmann lächelte Beth zu.
»Es geht doch nichts über das Gefühl, ein gutes Pferd unter sich zu haben, stimmt’s?« sagte er. Beth dachte an Bills herabsetzende Bemerkungen und fand, daß Hillford wirklich der passendste Gefährte für die Eröffnung der Jagdsaison sei.
»Wir reiten immer durch das hintere Tor und winken Mutter noch zu!« erklärte sie.
Mrs. Sutherland schwang eine Serviette aus dem Küchenfenster, und die Reiter stellten sich in ihren Steigbügeln auf und winkten zurück.
»Wir kommen nicht zu spät wieder«, rief Beth. »Leb wohl und arbeite nicht zuviel!«
Das Jagdtreffen am Soldatenweg führte in die einsamste und wildeste Landschaft des Gebiets. Der »Soldatenblock« war ein Landstreifen, der sich am Fluß entlang bis zu der bewaldeten Bergkette hinauf zog. Er war den Soldaten, die nach dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt waren, zugewiesen worden. Später hatten viele ihre Farmen wieder verlassen, die dann jahrelang leerstanden. Jetzt nahmen ein paar Weide-Farmen den größten Teil des Gebietes ein. Für Pferde war es ein herrlicher Platz. Es gab da lange Wiesen zum Galoppieren, und sie konnten ausgezeichnet über die Ginsterhecken und die alten Weidezäune springen.
Als die
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