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Das Raetsel der Liebe

Das Raetsel der Liebe

Titel: Das Raetsel der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Rowan
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Natürlich nicht. Natürlich hätte sie etwas derart Absurdes niemals geglaubt. Papa war ihr Vater, nicht irgendein Fremder, mit dem sie sich einige Monate lang Briefe geschrieben und dessen Namen sie bis vor wenigen Wochen noch gar nicht gekannt hatte.
    Aber es stimmte. Jede Faser ihres Körpers sagte ihr instinktiv, dass dieser Mann ihr Vater war. Sein Name stand zwar nicht auf der Geburtsurkunde, trotzdem
wusste
sie es. Dr. Cole war ihr Vater. Sie konnte sogar eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und sich feststellen. Da war die Form seines Gesichts, die Farbe seiner Augen. Genau wie ihre.
    Dieser Mann war ihr Vater und Lydia –
Lydia
– war ihre Mutter. Die Erkenntnis traf sie aufs Neue wie ein Blitz und stellte ihre ganze Welt auf den Kopf. Wie eine Sanduhr, die jemand plötzlich umdreht.
    Sie fragte sich, ob Lydia jemals vorgehabt hatte, ihr eines Tages die Wahrheit zu sagen. Ob
irgendwer
das jemals vorgehabt hatte. Oder ob sie alle davon ausgegangen waren, dass Jane für immer das Zentrum einer riesigen Lüge bilden würde.
    »Warum haben Sie nicht zuerst mit Lydia gesprochen?«, fragte sie.
    »Ich wusste, sie würde mich nicht sehen wollen«, erwiderte Dr. Cole. »Wir trennten uns nicht gerade unter angenehmen Umständen.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte, dass wir uns beide ohne ihren Einfluss kennenlernen. Ich hege den starken Verdacht, sie hätte nichts Gutes über mich zu sagen.«
    »Haben Sie denn über sie etwas Gutes zu sagen?«
    Dr. Cole streckte einen Arm über den Globus und legte seine lange, schmale Hand auf ihre. Es fühlte sich warm an, tröstlich. Jane versuchte sich vorzustellen, wie er wohl als Vater gewesen wäre, doch es gelang ihr nicht.
    »Lydia ist brillant«, sagte er. »Das war sie immer. Ich war überrascht, als ich von einem Kollegen erfuhr, sie hätte sich während der letzten zehn Jahre vollkommen aus dem akademischen Leben zurückgezogen. Ihre ehemaligen Lehrer und Professoren waren überaus beeindruckt von ihren mathematischen Fähigkeiten, schon, als sie noch ganz klein war. Sie war ein Wunderkind. Es war eine große Ehre für mich, sie als Studentin zu haben.«
    Jane schossen ganz unerwartet Tränen in die Augen und die Welt verschwamm. Das zumindest stimmte. Sie wusste, dass Lydia einen einzigartigen Intellekt besaß. Sie wusste, dass Lydia der Welt mit ihren Lösungen und Beweisen und Gleichungen etwas Großes zu geben hatte. Sie wusste, dass Lydia die Welt hätte verändern können … wenn sie nicht aus dem akademischen Leben
verschwunden
wäre, wenn sie ihren Interessen in aller Öffentlichkeit weiter nachgegangen wäre.
    Dr. Cole presste seine Hand fester auf ihre. Zu fest. Sie versuchte, sich seinem Griff zu entwinden.
    »Wie auch immer. Ich jedenfalls freue mich, dass du das Dokument gefunden hast«, fuhr er fort. »Und vielleicht ist es ja nicht mal ein Zufall, dass du es so kurz vor Lydias Hochzeit gefunden hast. Vielleicht sollte die Wahrheit ja ans Licht, jetzt, wo sie nicht mehr länger mit dir zusammenleben wird.«
    Seine Worte trugen einen dünnen Mantel aus kaltem Stahl. Jane sah ihn argwöhnisch an. Das Lächeln war noch da, doch hinter seinen Augen hatte sich etwas verhärtet, wie der erste Raureif, der sich im Spätherbst über eine Fensterscheibe legt. Sie bekam eine Gänsehaut.
    Endlich gelang es ihr, die Hand unter seiner wegzuziehen. »Es tut mir leid, aber es ist schon spät. Sie erwarten mich zurück.«
    »Natürlich. Kann ich das Dokument einmal sehen, bevor du gehst?«
    Jane zog das Papier aus der Tasche, faltete es auseinander und betrachtete die Mischung aus gedrucktem Französisch und schwungvoller Handschrift. »Ich kann nur ein paar Worte Französisch, aber unter ›Eltern‹ ist nur ein Name aufgeführt: Lydia Kellaway. Keine Berufsangabe. Aber da steht ihr Alter –
seize
… Sie war …«
    Jane schüttelte energisch den Kopf, um den Gedanken daraus zu vertreiben, dass Lydia nur fünf Jahre älter gewesen war als sie selbst, als sie ein Kind bekommen hatte.
    »Die Adresse ist in Lyon«, fuhr sie fort. »Und als Zeugen haben mein Vater – Sir Henry – und meine Großmutter unterzeichnet.«
    »Interessant.« Wieder kam er ein kleines Stückchen auf sie zu, ließ die Hand jedoch auf der großen Himmelskugel ruhen. »Lass mal sehen, ob ich dir helfen kann. Vielleicht gibt es noch mehr Informationen. Ich spreche fließend Französisch, weißt du.«
    Er streckte die Hand aus. Jane schickte sich an, ihm das Papier zu geben, hielt dann

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