Das Raetsel der Liebe
addieren die Zahl des Gelenks.«
»In Ordnung.«
»Nun addieren Sie fünfunddreißig und sagen mir die Summe, die Sie ausgerechnet haben.«
»Siebentausendsechshundertsiebenundfünfzig.«
Lydia stellte im Kopf eine kurze Berechnung an und wandte sich Alexander zu. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, als sie bemerkte, wie intensiv er sie ansah.
»Lord Northwood«, sagte sie, wobei ihre Augen genau in seine blickten, »trägt den Ring am zweiten Glied des Zeigefingers seiner rechten Hand.«
Schweigen legte sich über die Runde, so schnell und vollkommen, dass Lydia einen Augenblick lang dachte, sie hätte einen Fehler gemacht. Dann fing Lord Rushton so dröhnend und herzhaft an zu lachen, dass es laut von Wänden und Decke des eleganten Zimmers widerhallte.
Auf Alexanders Gesicht breitete sich ganz langsam ein wundervolles Lächeln aus,während er die Hand ausstreckte und den Blumenstängelring vorzeigte, der auf seinem Zeigefinger steckte.
Talia starrte Lydia vollkommen verblüfft an. »Wie um alles in der Welt –«
»Eigentlich ist es recht einfach. Man muss nur jedem Teil des Problems eine Zahl zuordnen und die Gleichung kennen.« Lydia stieg eine leichte Röte ins Gesicht, als ihr klar wurde, dass sie da soeben ein erstaunlich verwickeltes Kunststück vollbracht hatte. »Wenn Sie dreitausendfünfhundertfünfunddreißig von dem Ergebnis substrahieren, das Lord Rushton genannt hat, haben Sie die Lösung. Siebentausendsechshundertsiebenundfünfzig minus dreitausendfünfhundertfünfunddreißig gibt viertausendeinhundertzweiundzwanzig. Lord Northwood war die Zahl Vier zugeordnet. Und er trug den Ring an der rechten Hand, am zweiten Glied des zweiten Fingers.«
»Miss Kellaway, Sie sind ein echtes Wunder.« Rushton erhob sich und klatschte. »Ich hätte schwören können, dass es unlösbar ist.«
»Du
hast
geschworen, dass es unlösbar ist«, korrigierte Sebastian und sah Lydia mit einem breiten Grinsen an. »Es kann bisweilen ein hoffnungsloses Unterfangen sein, den Earl zu beeindrucken. Daher ist Ihre Leistung ein ziemlich bedeutendes Ereignis.«
Lydia schaute zu Alexander. Der hatte die Stirn in Falten gelegt. Seine Mundwinkel waren leicht ungehalten verzogen, und er sah sie mit einem eigentümlich konzentrierten Ausdruck an, als bemühe er sich, eine Einsicht zu gewinnen, die sich ihm noch entzog. Schließlich stand er auf und kam entschlossen auf sie zu.
Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass gleich etwas Bedeutendes geschehen würde. Etwas Aufregendes, Überwältigendes. Sie erschauerte. Schweiß trat ihr in den Nacken. Der von zahlreichen Kerzen erleuchtete Raum fühlte sich plötzlich heiß an und überladen mit süßlichen Düften.
»Ich … ich brauche etwas frische Luft«, stammelte sie und trat ein paar Schritte rückwärts, um Northwoods immer übermächtiger werdenden Präsenz zu entkommen.»Wenn Sie mich bitte einen Augenblick entschuldigen wollen …« Sie versuchte, nicht allzu hastig in Richtung der Türen zu gehen, die hinaus auf die Terrasse führten.
Alexander folgte ihr nach draußen. Kühle Abendluft umspielte ihr Gesicht, und ihr Herz pochte wie wild.
Er blieb neben ihr stehen und legte seine Hände auf das Geländer. Einen Augenblick lang starrte er schweigend hinaus in den dunklen Garten, als läge dort die Antwort auf eine Frage, mit der er sich schon längere Zeit herumschlug. In dem gedämpften Licht erschien sein Profil streng und verschattet, einzig die Augen ein heller Schimmer unter dunklen Wimpern.
Aus dem Salon drangen die Klänge einer Sonate von Beethoven zu ihnen heraus und mischten sich mit dem Zirpen der Insekten und den gelegentlichen Rufen von Nachtvögeln.
»Mein Vater ist schon lange nicht mehr in Gesellschaft gewesen«, sagte Alexander schließlich. »Er hat nur Talia zuliebe zugestimmt, an diesem Wochenende herzukommen.«
»Sie ist eine reizende junge Frau.«
»Ja, das ist sie. Sie könnte erstaunlich gut heiraten, wenn sie …« Kopfschüttelnd verstummte er.
Er spürte, wie sich Druck in seinen Schultern aufbaute und straffte sich. Lydia schluckte, und in ihrer Brust machte sich eine Mischung aus freudiger Erwartung und Bangigkeit breit.
»Alexander?«
Sein Unterkiefer schien sich anzuspannen, als er die Stirn runzelte. Lydias Vorahnung verstärkte sich. »Was ist los?«
»Wir kennen uns noch nicht allzu lange«, begann er.
»Nein.«
»Und bitte vergeben Sie mir, aber wir stehen beide nicht mehr in der Blüte unserer Jugend.«
»Das
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