Das Raetsel der Liebe
Krieges an. Und am liebsten wäre es ihnen, ich würde die Society ganz und gar verlassen. Das Ganze kommt denen doch wie gerufen. Sie behaupten einfach, ich hätte den Mob aufgehetzt, der die Ausstellung zerstört und St. Martin’s Hall verwüstet hat. Wie Rushton schon sagte: Die Buchstaben des Gesetzes sind ihnen völlig egal, Hauptsache, sie haben einen Vorwand, mich loszuwerden.«
Und die Vorstandsmitglieder? Nun, die würden seinen Namen zwar nicht absichtlich in den Schmutz ziehen, aber sie würden auch nichts tun, um zu verhindern, dass andere es taten.
Zur Hölle damit! Zum Teufel mit der Wahrheit! Dann konnte er ebensogut Lydia heiraten und für den Rest seiner Tage mit allen Skandalen leben.
Eines Tages würde er verdammt noch mal Earl sein, und sollten die Leute angesichts seines
schockierenden
Verhaltens in aller Öffentlichkeit Entsetzen heucheln, während sie sich in aller Stille mit ihrer Dienerschaft oder ihren Geliebten vergnügten … sei’s drum. Er würde sie alle zum Tee einladen und ihnen Kuchen vorsetzen, garniert mit ausreichend Stoff zum Tratschen.
Alexander sah seinen Bruder an. Sebastian würde sich niemals von irgendjemandem diktieren lassen, wie er zu leben hatte. Warum also sollte er, Alexander, es tun?
»Lord Rushton.« Er erhob sich.
Sein Vater und Sebastian blickten ihn leicht verwundert an.
»Northwood?«
»Was immer auch passiert«, sagte Alexander, »ich bin nach wie vor fest entschlossen, Lydia Kellaway zu heiraten.«
Grelles Licht brannte sich durch einen Spalt zwischen den Vorhängen. Jane strich sich die Haare aus der Stirn, ging zum Fenster hinüber und öffnete die schweren Stoffbahnen. Sonnenlicht flutete den Raum. Nachdem sie sich Hände und Gesicht gewaschen hatte, blieb sie neben dem Tisch stehen, wo heißer Tee und ein Körbchen mit Muffins auf sie warteten.
Als sie sich eben eine Tasse Tee eingießen wollte, wurde die Tür geöffnet. Sie blickte hoch. Auf der Schwelle stand Lydia. Ihre Schwester … ihre
Mutter
… sie sah bleich und abgehärmt aus. In ihrem Blick lag Unsicherheit. Großmama stand hinter ihr.
»Dürfen wir hereinkommen?«, fragte Lydia vorsichtig.
Jane nickte. Lydia lächelte zaghaft und trat ins Zimmer. Großmama folgte ihr mit schweren, langsamen Schritten und ließ sich auf einen Stuhl neben Janes Bett nieder. »Wie fühlst du dich?«
»Ganz gut. Müde aber … gut.« Sie nippte an ihrem Tee und nahm sich einen Muffin. Als ihr klar wurde, dass sie eigentlich gar keinen Hunger hatte, legte sie ihn zurück, ging wieder ins Bett und zog sich die Decke über die Beine. »Lord Northwood … geht es ihm gut? Und dir?«
»Ja, alles in Ordnung.« Lydia setzte sich auf die Bettkante und holte tief Luft. »Jane, ich –«
»Warum habt ihr es mir nicht gesagt?«, unterbrach Jane sie. Wieder kochten Wut und Verletztheit in ihr hoch, und sie blickte anklagend von Lydia zu ihrer Großmutter. »Warum habt ihr mich belogen?«
»Das ist eine sehr lange und komplizierte Geschichte«, sagte Lydia. »Aber bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass es so am besten war. Wenn du es gewusst hättest … wenn irgendjemand davon gewusst hätte, dann hätten sie dich mir weggenommen. Es war die einzige Möglichkeit, dich bei uns zu behalten.«
»Das ist die Wahrheit, Jane.« Großmama klang erschöpft, doch auch entschlossen. Offenbar war sie noch immer zutiefst überzeugt von der Richtigkeit ihrer Entscheidungen.
»Wir haben es getan, um die Familie zusammenzuhalten. Als meine Tochter krank wurde, unternahmen wir alles, um ihr zu helfen, selbst, als es unser Vermögen aufzuzehren begann. Wir reisten überallhin auf der Suche nach Ärzten oder Behandlungsmethoden, die ihr hätten helfen können. Und als wir Theodora …« – sie räusperte sich – »an diese verheerende, schreckliche Krankheit verloren, da hatten wir nur noch uns. Mein Mann war schon seit Langem tot, Sir Henry hatte keine Geschwister, und Lydia … Lydia fühlte sich stets wohler mit ihren Zahlen und Gleichungen. Es war ihr nicht klar, wie sehr sie uns brauchte.«
Lydia starrte ihre Großmutter an, als höre sie das zum allerersten Mal. Mrs Boyd erwiderte den Blick, und ein Anflug von Zärtlichkeit machte ihre Züge weicher.
»Als wir dann von Lydias … Umständen erfuhren«, fuhr sie fort, »wollten wir auf keinen Fall, dass du, ein unschuldiges Kind, darunter leiden müsstest. Vor allem deshalb, weil wir wussten, dass du vielleicht sogar Lydias Rettung sein könntest.«
Lydias
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