Das Rätsel der Rückkehr - Roman
nach einer Arbeitsweise, die nicht so viel Kraft kostet.
Als ich meine alte Remington 22 kaufte, das war vor einem Vierteljahrhundert, wollte ich einen neuen Stil. Härter, dichter als vorher. Von Hand zu schreiben erschien mir zu literarisch. Ich wollte ein Rock-Autor sein. Ein Autor des Maschinenzeitalters. Die Wörter bedeuteten mir weniger als das Geräusch der Tasten. Ich strotzte vor Energie. In dem engen Zimmer in der Rue Saint-Denis tippte ich die ganze Zeit wie ein Irrer im Halbdunkel. Ich arbeitete bei geschlossenen Fenstern mit nacktem Oberkörper in der Sommerglut. Mit einer Flasche schlechtem Wein am Fuß des Tischs.
Ich kehre zur guten alten Hand zurück,
die nur selten eine Panne hat.
Immer gegen Ende einer überspannten Phase
kommen wir auf das zurück, was uns
natürlicher scheint.
Nach so vielen Jahren im Gebrauch
ist fast nichts Spontanes in mir übrig.
Jedoch bei der Nachricht am Telefon
hörte ich den kleinen Knacks
von einem Herz, das stehen bleibt.
Ein Mann spricht mich auf der Straße an.
Schreiben Sie immer noch? Zuweilen.
Sie hatten gesagt, Sie würden nicht mehr schreiben. Das
stimmt.
Und warum schreiben Sie doch?
Weiß nicht.
Er ging fort, beleidigt.
Die meisten Leser
halten sich für Figuren in einem Roman.
Sie betrachten ihr Leben als eine Geschichte
voll mit Schall und Wahn,
die ein Autor
nur aufschreiben muss.
Sich einem Wesen zu nähern, dieses Geheimnis ist
ebenso groß, wie sich von ihm zu entfernen.
Zwischen diesen beiden Momenten
liegt der Alltag, der einen erstickt,
mit seinem Gefolge kleiner Heimlichkeiten
An welchem Ende krieg ich diesen Tag zu fassen?
Am Aufgang oder Untergang der Sonne.
In letzter Zeit stehe ich erst auf,
wenn diese schlafen geht.
Ich brauche sofort ein Glas Rum
um die Malariahitze zu verscheuchen,
deren Fieber ich manchmal
mit Lebensenergie verwechsle.
Und ich schlafe nicht, bevor die Flasche
längs auf dem Fußboden liegt.
Wenn ich so im Halbdunkel grinse
ist’s, weil ich mich verloren fühle,
und dann wird mich keiner
aus der rosa Wanne holen,
in der ich mich krümme wie
in einem runden wassergefüllten Bauch.
Das Exil
Heute las ich noch einmal im ersten schwarzen Heft,
das von meiner Ankunft in Montréal erzählt.
Es war im Sommer 1976.
Ich war dreiundzwanzig
und ließ gerade mein Land zurück.
Heute lebe ich hier seit dreiunddreißig Jahren,
ohne dass meine Mutter mich sieht.
Zwischen Reise und Rückkehr
zwängt sich
eine faule Zeit,
die einen verrückt machen kann.
Einmal kommt der Moment,
wo du dich im Spiegel
nicht mehr erkennst,
weil kein Blick dich spiegelt.
Du vergleichst dich mit dem Foto
vom jungen Mann vor der Abreise.
Meine Mutter hatte es mir
in die Tasche gesteckt, als ich eben
durch die kleine grüne Pforte trat.
Ich weiß noch, wie ich damals lächelte
über so viel Sentimentalität.
Das alte Foto ist heute mein einziger Zeuge,
um zu messen, wie die Zeit vergeht.
Es ist Sonntagnachmittag in Port-au-Prince.
Ich erkenne es daran, dass selbst die Pflanzen
gelangweilt aussehen.
Wir beide, meine Mutter und ich,
sitzen auf der Galerie und warten schweigend,
dass der Abend auf die rosa Oleanderbüsche sinkt.
Auf dem Foto, heute vergilbt,
blättre ich gerade
(bestimmt mit klammen Händen und stolperndem Herzen)
in der Sommernummer eines Frauenmagazins
mit Mädchen im Bikini.
Meine Mutter neben mir tut, als ob sie schliefe.
Auch wenn ich noch nicht wusste,
dass ich fortgehen würde,
ohne zurückzukehren,
meine an jenem Tag
so bedrückte Mutter
spürte es wohl
in ihrem tiefsten
geheimsten Inneren.
Plötzlich ist man in einen schlechten Roman
unter die Herrschaft eines tropischen Diktators geraten,
der unablässig befiehlt,
seinen Untertanen die Köpfe abzuschlagen.
Man hat eben noch Zeit,
sich zwischen die Linien zu retten
zu dem Rand, der die Karibik umgibt.
Hier bin ich, viele Jahre später,
laufe durch eine verschneite Stadt
und denke an nichts.
Lasse mich nur
von der Bewegung der Eisluft leiten
und diesem zarten Nacken, der vor mir geht.
Ziemlich gebannt von der Kraft
der jungen Frau, die sich entschieden
gegen die starken Windstöße stemmt,
so kalt, dass mir die Tränen
in die Augen steigen
und ich manchmal wie ein Derwisch um mich kreisele.
Ein mitten auf der Treppe sitzendes Kind
wartet auf seinen Vater, dass er es mit in die Arena nimmt.
Sein trauriger Blick verrät,
dass das Hockeyspiel schon im Gange ist.
Ich hätte alles
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