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Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Titel: Das Rätsel der Rückkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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sich in seinem Geburtsland zu Hause zu fühlen. Garibaldi rächt sich an dem Enkel, dem er die Flaschen mit schlechtem Wein und das vergilbte D´Annunzio-Porträt vererben wird.
    Ich fürchte, selbst das stärkste Ereignis
    wird einen Menschen nicht
    aus seinen Gewohnheiten reißen.
    Die Entscheidung ist lange
    bevor sie bewusst wird, gefallen,
    und den Grund erfährt man nie.
    Der Zeitpunkt steht schon so lange fest in dir,
    dass der Moment der Abreise
    stets banal erscheint.

Die Zeit der Bücher
    Wenn ich in eine neue Wohnung kam,
    legte ich zuerst meine Bücher auf den Tisch.
    Alle hatte ich gelesen und wieder gelesen.
    Ich kaufte mir ein Buch nur,
    wenn die Lust, es zu lesen größer war,
    als der Hunger, der mich plagte.
    So ergeht es heute noch vielen Menschen.
    Wenn sich unsere Verhältnisse ändern,
    denken wir, es würde für alle gelten.
    Ich kenne immer noch einige, die
    zwischen Essen oder Lesen wählen müssen.
    Ich verzehre hier so viel Fleisch
    in einem Winter,
    wie ein Armer in Haiti
    in seinem ganzen Leben.
    Es dauerte nur kurz, bis ich vom notgedrungenen Vegetarier
    zwangsläufig zum Fleischesser wurde.
    In meinem früheren Leben war die Ernährung
    eine tägliche Sorge.
    Alles drehte sich um den Bauch.
    Sobald man zu Essen hatte, war alles gut.
    Das ist unverständlich für jemand,
    der das nie erlebte.
    Nachdem vor zwei Jahren ein heftiger Zyklon in Haiti wütete, erhielt ich einen Brief von einem Studenten. Er schärfte mir ein, den Menschen guten Willens folgendes mitzuteilen: Wenn sie den Heimgesuchten Nahrungsmittel schicken wollten, wäre zu wünschen, dass zu jedem Sack Reis eine Kiste Bücher geliefert werde, denn, so schrieb er, „wir essen nicht, um zu leben, sondern um lesen zu können.“
    Eines Tages kaufte ich ein Buch,
    ohne es dringend zu brauchen.
    Es lag drei Monate ungeöffnet
    auf dem kleinen Küchentisch
    zwischen Karotten und Zwiebeln.
    Heute stelle ich fest, ich muss
    die Hälfte meines Bücherschranks noch lesen.
    Ich warte aufs Sanatorium, um mich in
Die Buddenbrooks
des strengen Thomas Mann zu vertiefen oder der Spur des
Leoparden
von Giuseppe Tomasi di Lampedusa zu folgen. Warum behalten wir Bücher, die wir bestimmt nie lesen werden? Beim „Leoparden“ lohnte allein der Name des Autors das Geld. Ich habe vergessen, was mich davon abhielt, Thomas Manns Roman zu beginnen.
    Ich werde wieder mit einem kleinen Koffer reisen.
    Wie dem, mit dem ich herkam.
    Beinah leer.
    Kein einziges Buch.
    Nicht mal die eigenen.
    Nur eine kurze Übernachtung in Port-au-Prince,
    dann weiter nach Petit-Goâve,
    um das Haus wiederzusehn, nicht weit
    von meines Großvaters Schnapsbrennerei.
    Später überquere ich die rostige Brücke
    zum Friedhof, wo meine Großmutter liegt.
    Gerne würde ich dort den Rest meiner Tage
    in Gesprächen über alles oder nichts verbringen
    mit Leuten, die in ihrem Leben
    noch nie ein Buch aufgeschlagen haben.
    Dann käme früher oder später der schöne Moment,
    wo ich die Romane, die ich las,
    mit denen verwechsle, die ich schrieb.
    Alles verändert sich auf diesem Planeten.
    Vom Himmel aus sieht man den Süden
    immer in Bewegung.
    Ganze Völkerschaften ziehen herauf,
    suchen im Norden zu leben.
    Und wenn sie dort angekommen sind,
    kentern wir alle zusammen.
    Manchmal bringt ein Telefonanruf mitten in der Nacht
    alles plötzlich zum Kippen.
    Die Aufregung hat dich in der Hand.
    Es ist immer einfacher, den Ort zu wechseln,
    als das Leben zu ändern.
    Ich werfe in einen Koffer zwei oder drei Jeans, drei Hemden, zwei Paar Schuhe, ein bisschen Unterzeug, eine Tube Zahnpasta, zwei Zahnbürsten, eine Schachtel Aspirin und meinen Pass. Ein letztes Glas Wasser trinke ich stehend mitten in der Küche, bevor ich zum letzten Mal die Lichter ausknipse.

In der Kneipe
    Ich gehe mit gesenktem Kopf in dem eisigen Wind bis zur Straßenecke. Seit dreißig Jahren laufe ich durch diese Straße. Ich kenne jeden Geruch (die Tonkin-Suppe mit blutigem Rindfleisch beim kleinen Vietnamesischen Restaurant), jede Farbe (die Graffiti an den Wänden des einstigen Stundenhotels), jeden Geschmack (der Obstladen, wo ich im Winter Äpfel und im Sommer Mangos kaufe) der Rue Saint-Denis. Kleiderläden haben die Buchhandlungen ersetzt. Es gibt Indische, Thai- oder China-Restaurants anstelle der schäbigen Bars, wo man den ganzen Tag vor einem warmen Bier verbringen konnte.
    Ich drängle mich in die Studentenkneipe
    an der Ecke der Rue Ontario.
    Die Bedienung sieht mich ohne ein Lächeln,
    ich

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