Das Rätsel der Rückkehr - Roman
mich vollkommen zu Hause fühle, ist in diesem brühheißen Wasser, das mir endlich die Knochen erweicht. Mit der Rumflasche in Armeslänge und dem Gedichtband von Césaire nicht weit. Ich wechsle ab, ein Schluck Rum, eine Seite aus dem Buch, bis es auf den Boden gleitet. Alles passiert in Zeitlupe. Im Traum überlagert Césaire meinen Vater. Das gleiche erloschene Lächeln, und wie sie die Beine übereinanderschlagen, erinnert an die Dandys der Nachkriegszeit.
Ich habe das Foto meines Vaters lange studiert.
Der Hemdkragen perfekt gestärkt
die Manschettenknöpfe aus Perlmutt.
Die Socken aus Seide und die Schuhe gut geputzt.
Die Krawatte eher locker gebunden.
Ein Revolutionär ist zunächst ein Verführer.
Der Wetterbericht verkündet heute morgen minus 28 Grad.
Heißer Tee.
Ich lese am vereisten Fenster.
mich befällt eine Starre.
Ich lege das Buch auf den Bauch
falte die Hände, lehne den Kopf zurück.
Heute wird sich sonst nichts ereignen.
Ein Sonnenstrahl
wärmt meine linke Wange.
Der Mittagsschlaf eines Kindes
in der Nähe seiner Mutter.
Im Schatten des rosa Oleanders.
Wie eine alte Eidechse,
die sich vor der Sonne verbirgt.
Ich höre plötzlich das dumpfe Geräusch
des Buchs, das auf den Boden fällt.
Es ist das gleiche Geräusch, das die schweren
saftigen Mangos in meiner Kindheit machten,
wenn sie neben das Wasserbecken fielen.
Alles trägt mich in die Kindheit zurück.
In das Land ohne Vater.
Eines ist sicher
ich hätte nicht so geschrieben, wäre ich dort geblieben.
Hätte vielleicht überhaupt nicht geschrieben.
Schreibt man fern seines Landes, um sich zu trösten?
Ich bezweifle, dass das Exil einen zum Autor beruft.
Das Foto
Der Mann sitzt vor einer strohgedeckten Hütte
auf dem Kopf einen Bauernhut.
Hinter ihm steht eine kleine Rauchsäule.
„Das ist dein Vater im Maquis“, sagte die Mutter.
Die Schergen des Präsidenten-Generals verfolgten ihn.
Obwohl es so weit zurück in meiner Kindheit liegt,
beruhigt mich das Bild noch heute.
Ist es mir am Mittag zu heiß
in diesen „traurigen Tropen“,
denke ich an den Gang über den gefrorenen See
mit dem Holzhaus, in das Louise Warren,
meine Freundin,
zum Schreiben flieht.
Katzen spielen auf der Terrasse
ohne Sorgen um die Zeit, die vergeht.
Ihre Zeit ist nicht die unsere.
Eines der Kätzchen gleitet
in das Halbdunkel meiner Erinnerung.
Weiße Pfötchen auf einem gewachsten
Boden aus einfachen Dielen.
Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.
Die Erinnerungen schieben sich ineinander.
Mein Leben ist nichts als ein feuchtes kleines Paket
von verwaschenen Farben und alten Gerüchen.
Es kommt mir vor, als wäre der Anruf
eine Ewigkeit her.
Die Zeit schneidet sich nicht mehr
in die feinen Scheiben der Tage.
Sie ist eine kompakte Masse von einer Dichte,
die schwerer ist als die gesamte Erde.
Es bleibt mir nichts, außer dem zwingenden Bedürfnis zu schlafen. Schlaf ist das einzige Mittel, dem Tag und den mit ihm verbundenen Pflichten auszuweichen. Ich muss zugeben, die Dinge liefen bei mir schon seit einer Weile schief. Der Tod meines Vaters beendet offenbar eine Phase. Alles geschah ohne mein Wissen. Ich konnte die Zeichen nicht erkennen, die den Wirbel ankündigten, als er mich schon mit sich riss.
Bilder aus den Tiefen der Kindheit
stürzen in Wellen auf mich.
Sie sind so frisch,
dass ich tatsächlich meine,
die Szene spielt jetzt vor meinen Augen.
Ich erinnere mich an ein weiteres Detail
beim Betrachten dieses Fotos meines Vaters.
Es ist so winzig, dass meine Erinnerung
es nicht genau erfasst.
Was ich behalte ist ein Moment
reinen Vergnügens.
Eben fiel mir ein, was mich so zum Lachen brachte, als mir die Mutter das Foto des Partisanen mit dem Strohhut zeigte. Ich war sechs Jahre alt. Unten links im Bild sieht man ein pickendes Huhn. Meine Mutter fragte sich lange, was ich an einem Huhn so lustig fand. Ich konnte ihr nicht erklären, was es war. Heute weiß ich´s: ein Huhn ist so lebhaft, dass es sich sogar auf einem Foto bewegt. Neben ihm erscheint alles tot. Für mich wird das Gesicht meines Vaters nur durch die Stimme meiner Mutter lebendig.
Der richtige Moment
Er kommt in jedem Fall,
der Moment des Aufbruchs.
Man mag noch ein wenig trödeln
mit unnötigen Abschieden und Dingen,
die man unterwegs wegwerfen wird.
Der Moment schaut dich an,
und du weißt, er wird nicht weichen.
Der Zeitpunkt des Aufbruchs erwartet dich an der Tür,
wie etwas, dessen Dasein du
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