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Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Titel: Das Rätsel der Rückkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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mich vollkommen zu Hause fühle, ist in diesem brühheißen Wasser, das mir endlich die Knochen erweicht. Mit der Rumflasche in Armeslänge und dem Gedichtband von Césaire nicht weit. Ich wechsle ab, ein Schluck Rum, eine Seite aus dem Buch, bis es auf den Boden gleitet. Alles passiert in Zeitlupe. Im Traum überlagert Césaire meinen Vater. Das gleiche erloschene Lächeln, und wie sie die Beine übereinanderschlagen, erinnert an die Dandys der Nachkriegszeit.
    Ich habe das Foto meines Vaters lange studiert.
    Der Hemdkragen perfekt gestärkt
    die Manschettenknöpfe aus Perlmutt.
    Die Socken aus Seide und die Schuhe gut geputzt.
    Die Krawatte eher locker gebunden.
    Ein Revolutionär ist zunächst ein Verführer.
    Der Wetterbericht verkündet heute morgen minus 28 Grad.
    Heißer Tee.
    Ich lese am vereisten Fenster.
    mich befällt eine Starre.
    Ich lege das Buch auf den Bauch
    falte die Hände, lehne den Kopf zurück.
    Heute wird sich sonst nichts ereignen.
    Ein Sonnenstrahl
    wärmt meine linke Wange.
    Der Mittagsschlaf eines Kindes
    in der Nähe seiner Mutter.
    Im Schatten des rosa Oleanders.
    Wie eine alte Eidechse,
    die sich vor der Sonne verbirgt.
    Ich höre plötzlich das dumpfe Geräusch
    des Buchs, das auf den Boden fällt.
    Es ist das gleiche Geräusch, das die schweren
    saftigen Mangos in meiner Kindheit machten,
    wenn sie neben das Wasserbecken fielen.
    Alles trägt mich in die Kindheit zurück.
    In das Land ohne Vater.
    Eines ist sicher
    ich hätte nicht so geschrieben, wäre ich dort geblieben.
    Hätte vielleicht überhaupt nicht geschrieben.
    Schreibt man fern seines Landes, um sich zu trösten?
    Ich bezweifle, dass das Exil einen zum Autor beruft.

Das Foto
    Der Mann sitzt vor einer strohgedeckten Hütte
    auf dem Kopf einen Bauernhut.
    Hinter ihm steht eine kleine Rauchsäule.
    „Das ist dein Vater im Maquis“, sagte die Mutter.
    Die Schergen des Präsidenten-Generals verfolgten ihn.
    Obwohl es so weit zurück in meiner Kindheit liegt,
    beruhigt mich das Bild noch heute.
    Ist es mir am Mittag zu heiß
    in diesen „traurigen Tropen“,
    denke ich an den Gang über den gefrorenen See
    mit dem Holzhaus, in das Louise Warren,
    meine Freundin,
    zum Schreiben flieht.
    Katzen spielen auf der Terrasse
    ohne Sorgen um die Zeit, die vergeht.
    Ihre Zeit ist nicht die unsere.
    Eines der Kätzchen gleitet
    in das Halbdunkel meiner Erinnerung.
    Weiße Pfötchen auf einem gewachsten
    Boden aus einfachen Dielen.
    Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.
    Die Erinnerungen schieben sich ineinander.
    Mein Leben ist nichts als ein feuchtes kleines Paket
    von verwaschenen Farben und alten Gerüchen.
    Es kommt mir vor, als wäre der Anruf
    eine Ewigkeit her.
    Die Zeit schneidet sich nicht mehr
    in die feinen Scheiben der Tage.
    Sie ist eine kompakte Masse von einer Dichte,
    die schwerer ist als die gesamte Erde.
    Es bleibt mir nichts, außer dem zwingenden Bedürfnis zu schlafen. Schlaf ist das einzige Mittel, dem Tag und den mit ihm verbundenen Pflichten auszuweichen. Ich muss zugeben, die Dinge liefen bei mir schon seit einer Weile schief. Der Tod meines Vaters beendet offenbar eine Phase. Alles geschah ohne mein Wissen. Ich konnte die Zeichen nicht erkennen, die den Wirbel ankündigten, als er mich schon mit sich riss.
    Bilder aus den Tiefen der Kindheit
    stürzen in Wellen auf mich.
    Sie sind so frisch,
    dass ich tatsächlich meine,
    die Szene spielt jetzt vor meinen Augen.
    Ich erinnere mich an ein weiteres Detail
    beim Betrachten dieses Fotos meines Vaters.
    Es ist so winzig, dass meine Erinnerung
    es nicht genau erfasst.
    Was ich behalte ist ein Moment
    reinen Vergnügens.
    Eben fiel mir ein, was mich so zum Lachen brachte, als mir die Mutter das Foto des Partisanen mit dem Strohhut zeigte. Ich war sechs Jahre alt. Unten links im Bild sieht man ein pickendes Huhn. Meine Mutter fragte sich lange, was ich an einem Huhn so lustig fand. Ich konnte ihr nicht erklären, was es war. Heute weiß ich´s: ein Huhn ist so lebhaft, dass es sich sogar auf einem Foto bewegt. Neben ihm erscheint alles tot. Für mich wird das Gesicht meines Vaters nur durch die Stimme meiner Mutter lebendig.

Der richtige Moment
    Er kommt in jedem Fall,
    der Moment des Aufbruchs.
    Man mag noch ein wenig trödeln
    mit unnötigen Abschieden und Dingen,
    die man unterwegs wegwerfen wird.
    Der Moment schaut dich an,
    und du weißt, er wird nicht weichen.
    Der Zeitpunkt des Aufbruchs erwartet dich an der Tür,
    wie etwas, dessen Dasein du

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