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Das Rätsel der Templer - Roman

Titel: Das Rätsel der Templer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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seinem Bett sitzend entledigte sich Gero seiner Schuhe und seines weißen Habits. Eine Ordensregel schrieb den Männern
     vor, dass sie in Unterwäsche und bei gedämpftem Licht zu schlafen hatten, damit sie im Falle eines Angriffs unverzüglich einsatzbereit
     waren.
    Bevor er seine schmerzenden Glieder auf der weichen Matratze ausstreckte, schlug er die doppelten, graubraunen Decken aus
     gewalkter Wolle zur Seite.
    |53| Dann drückte er sich das kleine, mit Daunen gefüllte Keilkissen zurecht, das jedem Bruder zustand, und als er sich die Decken
     überwarf, hatte er das Gefühl, als ob er sich unter einen Schutzschild begab.
    Einen Moment später hatte er noch einmal das Bedürfnis, sich aufzurichten und sich die Gesichter der Anwesenden einzuprägen.
    »Hey, Gero, du machst ja eine Miene wie Jesus am Kreuz.« Gianfranco da Silva, ein dunkel gelockter hagerer Sergeant aus der
     Lombardei, stieß ihn von der Seite an und schnitt aufmunternde Grimassen. »Ist dir ein Floh ins Bett gesprungen?«
    »Lass mich, ich bin müde, und wir haben morgen einen schweren Tag vor uns«, entgegnete Gero mürrisch.
    »Hey, Breydenbach, ich hab da was, das dich aufmuntern wird«, flüsterte Gianfranco und stieß ihn derb an. Mit einem Grinsen
     hielt ihm der Lombarde ein kleines, aufgefaltetes Pergament unter die Nase. Die überaus präzise Federzeichnung stellte eine
     nackte Frau und einen nackten Mann in einer merkwürdig verschlungen Haltung dar. Beide hatten ihre Köpfe jeweils zwischen
     die Schenkel des anderen gesteckt und befriedigten sich offenbar gegenseitig mit dem Mund.
    »Mensch, Gian, pack diesen Schund wieder ein! Hast du das nötig? Ich denk, du bist verheiratet?«, knurrte Gero und wandte
     sich ab. Er rollte sich auf die Seite und zog sich die Decken bis an die Nasenspitze. Nur so ließ sich vermeiden, dass Gianfranco
     weitere, verräterische Spuren von Trauer und Angst in seinem Gesicht erkennen konnte.
    »Oh, tut mir leid, dass ich Euch unerlaubt angesprochen habe, Sire«, spöttelte der Lombarde und schüttelte verständnislos
     den Kopf.
    Gero schloss die Augen und registrierte erleichtert, wie die Geräusche um ihn herum allmählich gedämpfter wurden, bis schließlich
     nur noch hier und da ein Murmeln oder ein Flüstern zu vernehmen war.
    Irgendwann musste er dann doch in einen unruhigen Schlaf gefallen sein, der von einem merkwürdigen Alptraum begleitet wurde.
     Verfolgt von blutrünstigem Gesindel, rannte er um sein Leben. Er hatte Matthäus an der Hand und lief mit ihm quer über eine
     Lichtung, um ihn in Sicherheit zu bringen. Unvermittelt wurden sie von einem merkwürdigen grünblauen Licht umfangen, das ihn
     und den Jungen ins Dunkel riss. Dann erschien ihm eine Frau, schön wie die Jungfrau Maria selbst. Das kastanienfarbene, lange
     Haar und die feinen Gesichtszüge ähnelten |54| in verblüffender Weise seiner geliebten Elisabeth. Sie war tot, dass wusste er, und doch lächelte sie ihn an.
So musste es wohl sein, wenn man starb
, waren seine letzten Gedanken.
    Schweißgebadet kam Gero zu sich. Ein ruppiger Stoß hatte ihn in die Wirklichkeit zurückgeholt.
    »Aufstehen«, raunte Johan van Elk ihm freundschaftlich mahnend zu. »Die Nacht ist vorüber.«

3
    Donnerstag, 12. Oktober 1307, nachmittags – Wald des Orient
    Zur Non – der neunten Stunde des Tages – versammelten sich die Ritterbrüder von Bar-sur-Aube zu einer Andacht in der kleinen
     Kapelle. Vollständig anwesend, was höchst selten vorkam, verneigten sie ihre Häupter zu einer letzten Ehrerbietung vor der
     Mutter Gottes Maria, als der Kaplan das Abschlussgebet sprach und sie anschließend wie üblich ohne Schlusssegen in die gleißende
     Nachmittagssonne entließ. Schweigend überquerten die Brüder den Innenhof. Ein frischer Wind trieb bauschige Regenwolken vor
     sich her, die die umliegenden Gebäude mit einem unsteten Spiel von Licht und Schatten belegten.
    Gesattelt und bepackt standen die Pferde vor den Stallungen. Bei den meisten der Tiere handelte es sich um beeindruckend muskulöse
     Hengste. Englisches Great-Horse, Jütländer, Percheron und Flamländer, allesamt aus den eigenen Zuchtställen des Ordens.
    Den Wagen mit der wertvollen Ladung, die, verborgen unter einer dicken Schicht Kornsäcke, ihren Weg in eines der geheimsten
     Depots des Abendlandes finden sollte, hatte man bereits vor dem Tor aufgestellt. Der Kutscher, ein vertrauenswürdiger, älterer
     Mann, der schon jahrzehntelang für den Orden arbeitete,

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