Das Rätsel der Templer - Roman
kurzen Besprechung im Scriptorium. Der Rest kann sich zur
Nachtruhe begeben.«
»Ach … Arnaud«, rief Gero einem drahtigen, dunkelhaarigen Bruder zu, der mit seinem zwar gestutzten, aber struppigen Bart
eher zu einer Räuberbande gepasst hätte als zu einem Ritterorden. »Sorge dafür, dass die Ausgabe der Waffen morgen Mittag
ohne Verzögerung vor sich geht und die Listen komplett sind, damit wir keine Zeit mit nachträglichen Schreibarbeiten verschwenden
müssen. Außer Äxten und Morgensternen nehmen wir zwei Armbrüste mit und ausreichend Bolzen von der schnellen, kurzen Sorte.«
Arnaud nickte. Im alltäglichen Ablauf der Komturei stand er den Sergeanten vor, die für die Lagerung und Ausgabe der Waffen
verantwortlich waren. Weil er darüber hinaus ausgezeichnet mit der Armbrust umgehen konnte, war es für Gero keine Frage, ihn
in den Einsatz |49| mit einzubeziehen. Für Arnaud hatte das zur Folge, dass ihm ein nicht geringer Anteil an Verantwortung für die Vorbereitungen
zufiel. Mit der Geschmeidigkeit einer Katze umrundete er die auf seinem Weg liegenden Betten der übrigen Brüder und begab
sich lautlos nach draußen.
Die anderen Teilnehmer der Mission, von denen einige schon im Bett gelegen hatten, zogen sich in Windeseile ihren Ordenshabit
über und schlüpften in ihre weichen, schmucklosen Lederschuhe, die sie innerhalb der Komturei trugen.
Gero wartete, bis der letzte bereit war. Keiner der anderen schien einen Einwand oder eine Frage zu haben.
Bis auf einen.
Guy de Gislingham erhob sich von seinem Lager und bedachte Gero mit einem abschätzenden Blick.
»Ihr werdet Gründe haben, Bruder Gero, warum Ihr auf meine Gefolgschaft bei dem morgigen Ereignis verzichten wollt«, erklärte
er gereizt. »Aber seid gewiss, dieser Umstand wird Euch nicht zum Vorteil gereichen, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Ihr
dürft getrost damit rechnen, dass ich Eure Abwesenheit zu nutzen weiß.« Guys Miene verriet tiefste Verachtung.
Die meisten Brüder schauten gebannt auf, in gespannter Erwartung, was Gero auf diese Unverschämtheit zu erwidern gedachte.
Doch Gero hatte beschlossen, den ungeliebten Engländer nicht mit weiterer Aufmerksamkeit zu adeln. Angesichts der Katastrophe,
die den gesamten Orden heimzusuchen drohte, war das unflätige Benehmen eines einzelnen Ritterbruders so unbedeutsam wie ein
einzelner Wassertropfen in einer herannahenden Sintflut.
Gero wandte sich an Johan van Elk, der neben ihm stand und genauso verdutzt dreinblickte wie der Rest der Mannschaft. Dann
gab er das Zeichen zum Aufbruch.
Bruder Guy blieb mit zorniger Miene zurück. Die ausgesuchten Männer folgten Gero indes, und gemeinsam ging man schweigend
über den Hof in Richtung Hauptgebäude.
Auf dem freien Platz vor dem Scriptorium herrschte ein stetiges, wenn auch unauffälliges Treiben. Im spärlichen Lichtschein
der Fackeln trugen Knechte und Ordensbrüder Kisten und Säcke aus dem |50| für gewöhnlich um diese Zeit vergitterten und ständig bewachten Magazin heraus und luden sie auf einen in unmittelbarer Nähe
aufgestellten Planwagen. Fast geräuschlos versahen die Männer ihren Dienst.
Johan gesellte sich zu der kleinen Truppe um Gero und räusperte sich verhalten. Als sein deutscher Bruder ihn ansah, konnte
er seine Frage nicht zurückhalten.
»Kannst du mir sagen, was hier vor sich geht?«
»Später. Die Sache ist ziemlich heikel«, flüsterte Gero und setzte eine verschwörerische Miene auf. »Ich werde versuchen,
Euch soviel wie möglich an Wissen zukommen zu lassen, aber hab’ Verständnis dafür, dass ich nicht alles preisgeben kann.«
Johan nickte wissend und verzichtete auf weitere Fragen. Er konnte sich denken, was in Gero vorging, war er doch selbst oft
genug als Kommandoführer in Verlegenheit geraten, seine Mitstreiter nur unvollständig in die Gründe für einen Einsatz einweihen
zu dürfen.
Struan, der hinter Johan her ging, beteiligte sich nicht an dem Gespräch.
Er war viel zu beschäftigt mit dem Gedanken, was Gero damit gemeint haben könnte, der Orden werde angegriffen, und was diese
Offenbahrung für einen Einfluss auf sein eigenes weiteres Schicksal haben mochte.
Rasch wurden ein paar Kienspäne im Scriptorium entzündet, und die Männer nahmen Aufstellung zwischen den eng stehenden Pulten.
In wenigen Zügen erläuterte Gero den Abmarsch in den Wald des Orients, ohne jedoch auf weitere Hintergründe einzugehen.
»Francesco, es ist deine Aufgabe,
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