Das Rätsel der Templer - Roman
die Knappen zu unterrichten«, fuhr Gero mit gespielter Gelassenheit fort, »damit sie die
Pferde rechtzeitig aufzäumen. Der Komtur wünscht, dass die Schlachtrösser gesattelt werden. Zudem wird uns sein Neffe begleiten.
Matthäus soll sich um die Packpferde kümmern.«
Der Spanier, der als Bannerträger für den Einsatz und die Fortbildung der Knappen verantwortlich war, hob fragend eine Augenbraue.
Ihm war es bereits seltsam erschienen, dass d’Our ihn ohne weitere Erklärung zu sich gerufen und ihm den Befehl erteilt hatte,
die Knappen in Begleitung der Sergeanten für den morgigen Abend und die darauf folgende Nacht nach Clairvaux zu entsenden.
Warum mit Matthäus |51| ausgerechnet einer der jüngsten Knappen und dazu noch der Neffe d’Ours den Einsatzzug der Ritter begleiten würde, war ihm
ebenso unverständlich. Es kam ihm jedoch nicht in den Sinn, die Entscheidung seines Vorgesetzten offen zu hinterfragen.
»Abmarsch ist nach der Non. Unser Komtur wünscht, dass ein jeder seine Herkunftsnachweise mit sich führt, sobald er die Komturei
verlässt«, erklärte Gero.
Die Männer diskutierten verhalten, als sie auf den menschenleeren Hof hinaus traten. Es hatte leicht zu nieseln begonnen,
und die meisten Feuer waren verloschen.
Im Grunde genommen war Gero froh, dass niemand sein Gesicht sehen konnte. Viel länger hätte er es nicht ausgehalten, sich
zu verstellen. Er verfluchte sein Schweigegelübde – überhaupt ergriff ihn eine elende Sinnlosigkeit, die gefährlicher war
als jeder Kampf, den er bis heute zu bestehen gehabt hatte. Die Vorstellung, dass der Orden von König Philipps Machtgier überrollt
werden würde, fuhr ihm wie ein Dolchstich in den Magen, so intensiv, dass ihm ein unbeabsichtigtes Keuchen entwich.
Johan war sogleich an seiner Seite. »Geht es dir nicht gut?« Die Stimme des flandrischen Bruders war voller Sorge. Sie waren
mitten auf dem dunklen Hof stehen geblieben.
Bis auf Struan, der nun auch stehen blieb und sich besorgt umschaute, waren alle anderen bereits im Schlafsaal verschwunden.
»Es ist nichts«, murmelte Gero schwer atmend und hielt sich leicht gekrümmt den Bauch. »Hab nur heute noch nichts Vernünftiges
gegessen.«
»Das kannst du Gisli erzählen, aber nicht mir«, erwiderte Johan unnachgiebig. »Ich habe versprochen, dich nicht zu bedrängen,
aber ich mache mir inzwischen ernsthafte Sorgen. Dass hier etwas faul ist, sieht selbst einer, der von den Sarazenen in aller
Gründlichkeit geblendet wurde.«
Gero versuchte sich mühsam aufzurichten. Struan wollte ihm dabei helfen. Doch Gero entzog ihm ungeduldig den Arm. Den Blick
nach vorn gerichtet, ging er in sichtlich steifer Haltung voran.
Johan warf Struan einen fragenden Blick zu, aber der Schotte hüllte sich in eisernes Schweigen.
|52| Kurz vor dem Eingang zu den Mannschaftsräumen wandte sich Gero plötzlich um. Er streifte Struan mit einem gequälten Blick
und nickte dann zu Johan hin.
»Ich werde ihn einweihen, Struan. Sag den anderen, wir kommen gleich nach.«
»Wie du meinst«, erwiderte der Schotte leise und setzte seinen Weg fort, wie ein geprügelter Hund, der sich nur noch danach
sehnt, ausgestreckt auf seinem Lager zu liegen und die Augen zu schließen.
Flüsternd setzte Gero seinen deutschen Landsmann über den eigentlichen Hintergrund des Auftrags in Kenntnis.
Johans Augen weiteten sich vor Verblüffung, dabei stieß er einen leisen Pfiff aus. »Bei allen Heiligen, wer hätte so etwas
gedacht? Und jetzt?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Gero seufzend. »D’Our scheint selbst nicht zu wissen, wie er die Lage einschätzen soll. Niemand
weiß offenbar, was da auf uns zu rollt.«
»Aber irgendetwas muss an der Sache dran sein. Würde man sonst den gesamtem Inhalt unseres Tresors in den Wald des Orients
verlagern?«
»Nein, selbstverständlich nicht,« erklärte Gero im Brustton der Überzeugung. »Angeblich kommt der Befehl von ganz oben.«
»Fragt sich nur, wer oder was oben ist«, bemerkte Johan und drückte damit seine Verwunderung aus, dass der Großmeister Jacques
de Molay als oberster Dienstherr des Templerordens anscheinend nicht mehr in der Lage war, klare Befehle zu erteilen.
»Wie auch immer«, sagte Gero resigniert. »Wir können nur hoffen. Und beten. Alles andere ist müßig.«
Gemeinsam erhoben sie sich und gingen in den Mannschaftsraum, wo sich die übrigen Brüder bereits unter lautem Gemurmel auf
die Nachtruhe vorbereiteten.
Auf
Weitere Kostenlose Bücher