Das Rätsel der Templer - Roman
Begeisterung.
Für gewöhnlich begleitete Matthäus seinen Herrn nicht zu Einsätzen, bei denen es zu Kampfhandlungen kommen konnte. Dafür war
er noch zu jung. Obwohl er schon Unterweisung im Schwertkampf und im Reiten erhielt, durfte er erst mit vierzehn Jahren in
den Waffendienst eintreten.
»Die anderen sind alle zur Abtei von Clairvaux aufgebrochen«, verkündete der Junge wie selbstverständlich. »Sie nehmen dort
an einer Klausur teil.« Unmerklich rümpfte er seine mit Sommersprossen übersäte Stupsnase. »Einen Tag und eine Nacht ununterbrochen
im Gebet, da bin ich froh, dass ich Euch begleiten darf.«
Gero kostete es einige Mühe, zu lächeln. Dass die Freude, die Matthäus empfand, sich kaum im Gesicht seines Herrn widerspiegelte,
bemerkte der Junge nicht.
Wie um sich selbst aufzumuntern, fuhr Gero seinem jungen Gefährten durch die blonden Locken. »Und Mattes? Hat man dich schon
mit deiner Aufgabe vertraut gemacht?«
»Ja«, antwortete Matthäus feierlich. »Ich bin für die Packpferde verantwortlich. Sie stehen abmarschbereit im Hof. Ihr müsst
nur noch den Befehl zum Aufbruch geben.« Stolz blickte er zu Gero auf, in dem Bewusstsein, dass ausgerechnet sein Ritter der
Kommandoführer dieses Unternehmens war.
Gero konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Dann nahm er Haltung an. »Begebt Euch zu Euren Pferden, Knappe. In wenigen
Augenblicken erfolgt die Anordnung zum Aufsitzen!«
»Zu Befehl, Herr«, erwiderte Matthäus mit ernster Miene.
Für den Transport hatte der Komtur die Weisung erteilt neben der üblichen Bewaffnung – Schwerter und Messer trugen die Männer
immer bei sich, sobald sie die Komturei verließen – Streitäxte, Armbrüste und Morgensterne mitzuführen.
Im Waffenmagazin übernahm Gero eine Armbrust mit vierzig Bolzen, die in einer kleinen Kiste verstaut waren. Der mit Wachs
versiegelte Schieber garantierte Vollständigkeit und Unversehrtheit der todbringenden Pfeile. Schließlich musste über jeden
Abschuss Buch geführt werden.
|58| Als er auf den Hof zurückkehrte, eilte ihm d’Our entgegen und wedelte mit einer gesiegelten Pergamentrolle, einem kleinen,
in Leder eingebundenen Büchlein und einigen, gesiegelten Briefen.
»Das Schreiben für den Kommandanten von Thors …«, verkündete er außer Atem. »Dazu der Herkunftsnachweis von Matthäus und ein
weiteres Schreiben für seine Aufnahme in Hemmenrode, falls es dazu kommen sollte.« Als Gero sich umdrehte, sah ihn der Alte,
wie d’Our hinter seinem Rücken von den übrigen Brüdern genannt wurde, mit ernsten Augen an. »Was auch immer geschieht, Bruder
Gerard … versprecht mir, dass Ihr besonnen handeln werdet.«
Gero setzte eine undurchsichtige Miene auf, doch sein Blick war klar und unschuldig wie immer. Erst jetzt übergab ihm d’Our
die mitgeführten Dokumente und dazu einen gut gefüllten Hirschlederbeutel voll klingender Münzen. Kommentarlos ließ Gero beides
in seinen Satteltaschen verschwinden. Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Komtur anschließend Matthäus zu, der nicht weit
entfernt seiner kleinen Stute die Sattelgurte nachzog. In einer steifen Art und Weise hielt er seinem Neffen die rechte Hand
hin, auf dass der Junge sich ehrerbietig vor ihm verbeugen und den dargebotenen, unübersehbaren Siegelring des Ordens küssen
musste.
Gero glaubte dem Zucken in d’Ours wächserner Miene entnehmen zu können, wie er verzweifelt darum rang, seine Gefühle unter
Kontrolle zu halten. Bedrückt wandte er sich ab und überprüfte mit einem raschen Blick die Anwesenheit seiner Männer. Die
Ritterbrüder standen vollzählig bei ihren Pferden. Waffen und Schilder waren am Sattelzeug befestigt. Ebenso wie Verbandszeug
und Proviant. Gero wartete noch einen Augenblick, bis auch der Letzte seinen Platz eingenommen hatte, dann schwang er sich
in den Sattel und rief: »Aufsitzen … Brüder und … Abmarsch!«
Zügig umrundeten sie die benachbarte Stadt in südöstlicher Richtung. Entlang dem kleinen Fluss Aube begaben sie sich auf die
Hauptstraße nach Troyes. Nach einer halben Meile führte sie ihr Weg geradeaus nach Bossancourt, und nur zwei Stunden später
erreichten sie die Niederlassung von Beaulieu.
Die Komturei war ein mächtiges, steinernes Gebäude, dessen kompakte Mauern und hohe Rundtürme an eine Burg erinnerten. Das
Tor |59| zum Innenhof war bereits geöffnet, und die Wachmannschaften ließen sie ohne Einwände passieren.
Der Kommandant von
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