Das Rätsel der Templer - Roman
Weisheit dort aufbewahrt wird«, erklärte Richard
tonlos. »D’Our hat es mir anvertraut, nachdem wir geheime Unterlagen aus Akko gerettet |553| hatten, die Aufzeichnungen über die Bewandtnis des Hauptes enthielten.«
»Was…?« Gero schüttelte ungläubig den Kopf.
Richard von Breydenbach betrachtete erneut den Rosenkranz. »Ich weiß nicht, ob d’Our es erwähnt hat. Als wir Akko auf Schleichwegen
verlassen mussten, wurden wir aus einem Hinterhalt angegriffen. D’Our verlor dabei seine Tasche, in der ein gesiegeltes Buch
verborgen war, das unzählige Geheimnisse über das Haupt enthielt. Diese gesammelten Erkenntnisse müssen sehr wertvoll gewesen
sein, denn beinahe einhundertfünfzig Jahre zuvor hatte Bertrand de Blanchefort im Süden von Franzien sogar ein geheimes Depot
unterhalten, das schon Bernhard von Clairvaux hat anlegen lassen, um wichtige Unterlagen vor dem Zugriff der Mächtigen zu
verbergen. Man sagte mir, dass es sich um sagenumwobene Pläne handelt, die unserer Zeit weit voraus sind. Die gesamte Finanzplanung
des Ordens ging daraus hervor, nie zuvor gekannte Heilmethoden und einige Erfindungen, die sogar weit über das Wissen der
Sarazenen hinausweisen. Beinahe wäre all das in die Hände unserer Feinde geraten. Meinem und dem Einsatz deines Oheims hatte
Henri d’Our es zu verdanken, dass er des Schatzes wieder habhaft wurde. Deinen Oheim hat es das Leben und mich hat es meine
rechte Hand gekostet. Elisabeths Eltern, die uns zur Hilfe eilen wollten, wurden vor unseren Augen grausam ermordet.«
Für einen Moment verschlug es Gero die Sprache. »Kennt Ihr die Wirkungsweise des Hauptes?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Ich weiß noch nicht einmal, wie es aussieht«, gestand Richard von Breydenbach ehrlich. »Es heißt, dass dieses Ding Raum und
Zeit überwinden und seinem Besitzer den Zugang zu einer geheimen Welt eröffnen kann. Aber es ist so teuflisch, dass noch nicht
einmal Eingeweihte wie Henri d’Our den Mechanismus ohne Not in Gang setzen würden.« Er sah Gero ernst ins Gesicht. »Das Haupt
entstammt einem sehr fernen Ort. Alle Dokumente, die je darüber verfasst wurden, sind sicher versteckt in Dutzenden von unterirdischen
Depots, verteilt über Franzien, England und das Schottenland. Und obwohl ich nur zum Teil eingeweiht bin, weiß ich, dass es
dem Orden in höchster Not zur Hilfe gereichen sollte. Aber wenn du mich fragst – mittlerweile halte ich das alles für Teufelswerk,
das weder dem Orden noch uns normal Sterblichen |554| Segen bringen wird. Und entgegen meiner bisherigen Behauptung, weiß ich seit jenen Tagen, dass im Saalholz eben dieser Teufel
sein Unwesen treibt.«
Mit einem Mal konnte Gero verstehen, warum sein Vater all die Jahre so zynisch reagiert hatte. Es war der Schmerz eines Unwissenden,
der hin und her gerissen wurde zwischen der Loyalität zu einer Organisation, die nicht die seine war, und dem Zweifel an Gott,
dessen Wirken er nicht mehr verstehen konnte.
»Ich war dort«, sagte Gero tonlos.
»Wo?«, fragte Richard alarmiert.
»In dieser anderen Welt«, antwortete Gero. »Ich war in der Zukunft. Über siebenhundert Jahre weit weg von hier. Und ich kann
Euch sagen, dass die Sache im Saalholz eine andere ist als das Haupt von Heisterbach.«
»Und du bist zurückgekommen?«, stellte sein Vater ungläubig fest. »Wie?«
»Mit eben diesem Haupt, das in Heisterbach verborgen war«, antwortete Gero leise. »Es ist eine kleine Kiste, die, nachdem
man eine Losung gesungen hat, einen wunderschönen, kleinen Frauenkopf hervorbringt. Der Maleficus in der Zukunft, der die
Lichtung im Saalholz verschwinden ließ, wusste nichts von dem Haupt, und er wusste schon gar nicht, welche Bewandtnis es damit
hatte. Warum es ihm trotzdem möglich war, Gottes Gesetze außer Kraft zu setzen, weiß ich nicht. In der Zukunft ist vieles
möglich, was wir uns heute nicht einmal im Traume vorzustellen vermögen. Aber da gibt es noch ein anderes Ungemach.«
»Die Frau und ihr Bruder?«
Gero nickte zögernd. »Sie entstammen der zukünftigen Welt. Es war nicht vorgesehen, dass sie mich und Matthäus begleiten sollten.
Und nun weiß ich nicht, wie ich ihnen in ihre Zeit zurück helfen kann.«
»Und woher wusstest du in der Zukunft, dass sich das Haupt der Weisheit noch in der Abtei befand? Es hätte in der Zwischenzeit
ebenso gut von jemand anderem gestohlen werden können.«
Richard von Breydenbach sah seinen Sohn immer noch mit
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