Das Rätsel der Templer - Roman
nicht enden wollendem Erstaunen an.
|555| »Ich wusste es nicht«, antwortete Gero mit einem Seufzer. »Ich hatte Glück, sonst nichts.« Von Erschöpfung gezeichnet, setzte
er sich wieder an Johans Seite.
Stockend begann er von seinen Erlebnissen zu berichten. Von Henri d’Our und seinem geheimen Auftrag, in dessen Einzelheiten
auch er nur bedingt eingeweiht worden war.
»Im Jahre des Herrn 2004 wird nur noch die Apsis der Abtei von Heisterbach übrig sein. Eine jämmerliche Ruine, die Ihr nicht
wieder erkennen würdet. Doch die unterirdischen Gänge sind vollständig erhalten, und das Haupt lag völlig unversehrt in seinem
Depot. Ich habe mein Losungswort gesungen, und dann bin ich mit Matthäus und den beiden anderen unvermittelt am 18. Tag dieses
Monats unterhalb des Klosters gelandet.«
»Und weiter?«
»Ich habe den von d’Our angekündigten Bruder des Hohen Rates tatsächlich getroffen«, sagte er mit schwacher Stimme. Sein Blick
fiel auf Struan, der ungläubig den Kopf schüttelte. »Wenn ich Euch sage, was er von mir verlangt hat, werdet Ihr denken, ich
lüge.«
»Sag es uns!« Johan war viel zu aufgeregt, um seine Stimme zu dämpfen.
Ruhig und beinahe abgeklärt, berichtete Gero, was Bruder Rowan ihm befohlen hatte. Dabei ließ er nicht aus, dass es zu einem
Kampf gekommen war, in dessen Verlauf er den Bruder ohne Absicht getötet hatte. Und – dass er anschließend das Haupt an sich
genommen und hierher gebracht hatte.
»Jesus Christ, steh mir bei«, stöhnte Richard von Breydenbach. »Und nun? Was ist, wenn du verfolgt wurdest, und jemand anderes
sich des Hauptes bemächtigt?«
»Wer sollte mir gefolgt sein?«, erwiderte Gero. »Bruder Rowan ist tot. Er war allem Anschein nach der einzige, der wusste,
was es mit dem Mechanismus des Hauptes auf sich hatte.«
»Wir können es unmöglich behalten«, gab Struan zu bedenken. »Es gehört dem Orden, ganz egal, wer davon weiß und was der Hohe
Rat damit vorhatte.«
»Du hast vollkommen richtig gehandelt«, sagte Johan und sah Gero verständnisvoll an. »Ich will mir beim besten Willen nicht
vorstellen, |556| dass d’Our von der beabsichtigten Hinrichtung der Königin gewusst hat.«
»Wir werden es herausfinden müssen«, sagte Gero mit ruhiger Stimme.
Nur bruchstückhaft gab er sein Wissen aus der Zukunft preis, weil ihm ohnehin alles viel zu verwirrend erschien, um es ausführlich
erklären zu können. Eins jedoch war im wichtig: dass die Brüder vom weiteren Schicksal des Ordens erfuhren.
»Wenn kein Wunder geschieht«, erklärte Gero seinen gebannten Zuhörern mit gesenktem Blick, »wird Papst Clemens den Orden der
Templer im Jahre des Herren 1312 mit den Bullen Vox clamatis und Vox in excelso universal aufheben lassen. Bereits zwei Jahre
zuvor werden vierundfünfzig Brüder auf einem Scheiterhaufen in Paris den Tod finden, und im Jahre 1314 wird man Jacques de
Molay und Gottfried de Charney nach jahrelanger Haft auf der Ile de la Cité auf langsamem Feuer verbrennen. Nicht wenige von
uns werden ein Leben lang auf der Flucht sein. Nur einem kleinen Teil wird es gelingen, einen Neuanfang unter dem Banner von
Schottland und im Königreich von Portugal zu finden.«
»Allmächtiger«, stieß Johan hervor. »Und du glaubst, das wird alles wahr?«
»Ich fürchte ja«, fügte Gero leise hinzu. »Nach dem Tod des Bruders in Heisterbach scheint mir Henri d’Our der einzige zu
sein, der uns helfen kann, das Ruder zur Rettung des Ordens doch noch herumzureißen. Außerdem trage ich die Verantwortung
für Hannah und Anselm. Sie müssen dorthin zurück, wo sie hergekommen sind. Auch wenn ich nicht allzu viel von ihrer Welt gesehen
habe, weiß ich doch, dass sie sich sehr von der unseren unterscheidet. Früher oder später würden die beiden ein Opfer des
Irrsinns. Wer weiß, vielleicht können wir sie mit d’Ours Hilfe in ihre Zeit zurückschaffen.«
Einen Moment war es still. Nur das leise Knistern des glimmenden Holzes im Kamin war zu hören, und ein einzelnes Kinderlachen,
das vom Hof herauf schallte.
»Wer sagt dir, ob d’Our noch lebt?« Richards Stirn legte sich in Falten.
»Ich habe auf dem Weg hierher Bruder Theobald von Thors getroffen. Er sagte, man habe unseren Komtur nach Chinon verschleppt.«
|557| »Heilige Mutter Gottes! Schlimmer konnte es kaum kommen!« Richard von Breydenbach sah seinem Sohn fest in die Augen. »Ganz
gleich, wie du dich entscheidest. Ich werde alles tun, um dir
Weitere Kostenlose Bücher