Das Rätsel der Templer - Roman
haben wir nun etwas zu feiern.«
Das strahlende Lächeln von Geros Mutter drückte deren ganze Freude aus. »Du musst uns berichten, wo du all die Zeit gewesen
bist.«
Gero räusperte sich mit einem Blick auf Hannah. »Ja«, sagte er nur.
»Wir haben da jemanden aufgesammelt«, ergriff sein Vater das Wort. »Er war übel zugerichtet. Aber jetzt, wo du wieder unter
uns weilst, bin ich überzeugt, dass seine Genesung umso schneller voranschreitet.«
»Johan?« Gero sah seinen Vater prüfend an.
|549| Der Burgherr nickte bedächtig.
Geros Mutter fasste Hannah wie selbstverständlich bei der Hand und entführte sie in den großen Rittersaal, wo fleißige Helfer
bereits Tische und Bänke aufstellten. Währenddessen bedeutete Gero mit einem Nicken, dass Anselm den beiden Frauen folgen
sollte.
Zusammen mit seinem Vater, der sich in ein geheimnisvolles Schweigen hüllte, und Struan, der ihm vertrauensvoll die Hand auf
die Schulter legte, stieg Gero die enge Wendeltreppe zum Frauentrakt hinauf.
Eine junge Magd mit einem Nachttopf in der Hand huschte an den Männern vorbei, als sie den mit Teppichen geschmückten Durchgang
erreichten. Die Tür zur Kammer hatte sie offen gelassen.
Mit einem bangen Gefühl im Herzen steckte Gero seinen Kopf durch den Türbogen. Gefolgt von seinem Vater und Struan betrat
er die Kammer.
»Gero! Mon frère!« Es war ein Ausruf aufrichtiger Freude.
»Johan!«, stieß Gero hervor. Ohne Rücksicht auf den Zustand des Kranken ließ er sich auf dessen Bett nieder und umarmte ihn
heftig.
Der Kopf des flandrischen Ordensbruders steckte in einem Verband aus weißem Leinen. Johan wirkte noch bleicher als sonst,
und selbst die rötlichen Narben, die sich quer über sein Gesicht zogen, änderten nichts an seinem wächsernen Aussehen. Unter
Mühen richtete er sich auf und legte seinen linken Arm um Geros Hals. Schluchzend zog er ihn zu sich herab. »Gero! Den himmlischen
Heerscharen sei Dank – du lebst.«
»Selbstverständlich lebe ich«, flüsterte Gero und klopfte ihm beruhigend auf den Rücken. »Und ich bin unversehrt. Also besteht
doch kein Grund zu weinen. Oder fehlt dir selbst etwas, das man nicht mehr heilen kann?«
»Nein, nein …«, entgegnete Johan leise, während er sich mit seinen großen Händen übers Gesicht fuhr und versuchte die Tränen
in seinen Augen zu unterdrücken. »Ich dachte nur … ich war mir sicher … dass es dich getötet hat.«
»Es?« Gero sah Johan unsicher an.
»Das grünblaue Licht. Seine Ränder waren so scharf, dass es Bäume zerschnitt wie einen weichen Käse.«
|550| »Wir sollten darüber sprechen«, sagte eine scharfe Stimme aus dem Hintergrund.
Geros Vater schloss die Tür. Seine Miene zeigte ein so ernsthaftes Interesse, dass Gero rasch überlegte, was und wie viel
er erzählen durfte. Allem Anschein nach hatte Johan mit angesehen, wie es ihn und Matthäus in die andere Welt verschlagen
hatte, und auch Struan erweckte den Eindruck, als wisse er um etwas, dem er lieber keinen Namen geben wollte. Mit verschränkten
Armen lehnte er am offenen Fenster.
Gero wandte sich seinem Vater zu, der ihn mit einem merkwürdigen Glitzern in den Augen betrachtete, das dem von Henri d’Our
so verblüffend ähnlich schien.
»Sprich!«, rief der Burgherr unangemessen laut.
Gero versuchte den Ton seines Vaters zu ignorieren. »Ich weiß nicht, was Ihr von mir hören wollt, Vater.« In scheinbarer Ruhe
erhob er sich von dem Krankenlager und ging zum offenen Fenster hin. Dort warf er einen kurzen Blick in die Ferne und wandte
sich dann mit gespielter Gelassenheit seinem ungeduldigen Vater zu.
»Nenne uns einen guten Grund«, zischte Richard von Breydenbach ärgerlich, »warum du uns so sehr in Angst und Schrecken versetzt
hast.« Er hielt inne, offenbar um in Geros Gesichtszügen einen reuevollen Ausdruck festzustellen. »Als ob das, was zurzeit
in Franzien geschieht, nicht genug des Übels wäre«, fuhr er mit gemäßigter Stimme fort, »machst du dich mit deinem unmündigen
Knappen einfach aus dem Staub und lässt sogar deine Kameraden im Stich. Vier Tage später erscheinst du gesund und munter in
Begleitung zweier Unbekannter, von denen nie jemand etwas gehört hat, und tust so, als ob nichts geschehen wäre.«
»Als Euer Sohn schulde ich Euch den nötigen Respekt«, begann Gero mit ruhiger Stimme. »Ich werde Euch nicht belügen, ganz
gleich, was geschieht. Wenn ich Euch also sage, dass ich der Frau, die mit
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