Das Rätsel der Templer - Roman
zu helfen.
Ich
allein habe all dein Unglück verschuldet. Und ich wage nicht zu hoffen, dass du mir jemals verzeihst.«
»Vater?« Gero spürte sein Herz klopfen. Er hatte nur eine vage Vorstellung davon, was sein Vater mit dieser Andeutung meinte.
»Ich hatte einen Eid geschworen, damals in Akko. Die Rettung dieser verdammten Dokumente war so wichtig für den Orden, und
ich fühlte mich den Templern mehr verbunden als dem Erzbischof von Trier. Und Elisabeth hat mir so unendlich Leid getan –
als sie mit Blut besudelt und schweigend neben den erschlagenen Leichen ihrer Eltern kauerte. Wie durch ein Wunder war sie
unverletzt, und kein Laut der Klage kam über ihre Lippen. Ich dachte, wenn Gott dieses Mädchen schützt, wird er auch uns schützen.
Um den Allmächtigen milde zu stimmen, habe ich vor Gott geschworen, sie bald nach unserer Rückkehr in die deutschen Lande
einem Zisterzienserkonvent zu übergeben. Aber deine Mutter dachte nicht daran, das Mädchen einem Orden zu überlassen, bevor
es das sechzehnte Lebensjahr vollendet hatte. Sie hat sie geliebt wie eine eigene Tochter. Und so gab ich nach. Doch ich tat
einen weiteren Schwur. Aus Zuneigung zum Orden wollte ich dich den Templern überantworten, sobald du die Schwertleite erhalten
hättest. Dass es anders gekommen ist, brauche ich nicht zu erwähnen, aber dass es mir Leid tut, möchte ich sagen«, fügte Richard
von Breydenbach mit heiserer Stimme hinzu. »Bitter Leid um dich und um Elisabeth und euer Kind. Und ich will dir sagen, dass
dich keine Schuld trifft an all dem, was an Furchtbarem geschehen ist, mein Junge.«
Der lange, tiefgründige Blick traf Gero mitten ins Herz, und er kämpfte mit den Tränen, so sehr berührte ihn das späte Bekenntnis
seines Vaters.
»Es sei Euch vergeben, Vater«, murmelte Gero.
Nach einer Andacht in der Burgkapelle, bei der nur nächste Angehörige, Freunde und höher stehende Bedienstete zugelassen waren,
lud der Burgherr zu einem Bankett im unteren Rittersaal ein. Viel zu |558| groß war die Freude des Hauses Breydenbach, als dass man sich die Rückkehr des tot geglaubten Sohnes durch die politischen
Katastrophen in Franzien verderben lassen wollte. Über das Gespräch, das Richard von Breydenbach mit Gero und dessen Kameraden
geführt hatte, bewahrten sie absolutes Stillschweigen.
Die Nacht hatte sich bereits herabgesenkt, als Hannah zusammen mit Gero für einen Moment nach draußen trat, um frische Luft
zu schnappen. Die brennenden Fackeln tauchten den oberen Burghof in ein dramatisches Licht. Eine Fanfare ertönte, und zwei
Reiter stoben mit Fackeln in der Hand durch das zweite Tor und hielten im letzten Augenblick inne, bevor sie beinahe zwei
umherlaufende Kinder überrannt hätten.
»Mein Bruder«, stieß Gero mit einem Seufzer hervor, der alles Mögliche bedeuten konnte.
Eberhard, wie Gero ihn nannte, sprang behände aus dem Sattel. Er war kleiner und erheblich schmaler gebaut als Gero. Sein
dünnes Haar schimmerte weißblond wie das des Vaters und reichte ihm bis auf die Schultern.
»Der Herr sei gepriesen«, rief er und eilte Gero mit offenen Armen entgegen. Seine dunkle Stimme, die sich nur wenig von der
seines Bruders unterschied, passte so gar nicht zu seiner knabenhaften Statur. »Du lebst!«, jauchzte er und umarmte Gero fest.
Dann trat er ein wenig zurück und betrachtete seinen sichtlich verwirrten Bruder mit einem erleichterten Lächeln. »Da hat
sich unser alter Herr ja ganz umsonst die Nächte um die Ohren geschlagen.« Lachend klopfte er Gero auf die Schulter. »Wusste
ich’s doch, dass du selbst dem Teufel ein Schnippchen schlägst.«
Gero setzte eine undurchsichtige Miene auf.
»Und wer ist das?« fragte Eberhard von Breydenbach und beäugte Hannah mit wohlwollendem Interesse. »Eine schöne Templerin?«
Geros Miene nahm einen leicht entnervten Ausdruck an. »Das ist Hannah de Caillou, Schwester des Kaufmanns Anselmo de Caillou.
Sie sind heute zusammen mit mir angekommen.« Es war klar, dass außer seinem Vater niemand in der Familie die ganze Wahrheit
erfahren sollte.
Eberhard zog seinen Handschuh aus und verbeugte sich höflich, als |559| er Hannahs Finger ergriff und einen formvollendeten Kuss auf ihren Handrücken hauchte.
»Madame?«, sagte er und lächelte sie von unten herauf an. Mit Kettenhemd und Wappenrock wirkte er trotz seiner schmächtigen
Gestalt recht martialisch.
»Sie sieht aus wie Elisabeth«, bemerkte er
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