Das Rätsel der Templer - Roman
franzischer Verfolger erwehren. Einer unserer
Brüder, Guy de Gislingham, der uns auf der Flucht begleitet hat, ist anscheinend ein Agent Nogarets. Er hat zweifelsfrei mitbekommen,
was geschehen ist. Zum einen weil wir darüber gesprochen haben, zum anderen weil er dabei war. Eines Morgens hat er das Weite
gesucht.« Geros Blick war voller Bitterkeit. »Danach ist er anscheinend direkt ins feindliche Lager übergelaufen. Wie sonst
wäre es zu erklären, dass uns ein ganzer Trupp franzischer Söldner kurz hinter Bar-le-Duc aufgelauert hat? Es kam zu einem
Kampf, und wie im Bachtal bei Anglus blieb uns nichts anderes übrig, als sie ausnahmslos in die Hölle zu schicken, weil sie
uns sonst nicht nur getötet, sondern auch verraten hätten.«
»Solange es keine weiteren Augenzeugen gibt, steht Aussage gegen Aussage«, erwiderte Richard bestimmt. »Und wenn er behauptet,
dabei gewesen zu sein, könnte man ihm mit Recht vorwerfen, dass er nicht eingeschritten ist. Somit würde er sich des Verdachts
der Unterstützung schuldig machen. Sollte es also zu einem Prozess kommen, müsste man euch erst einmal die Schuld am Tode
der Männer beweisen.«
»Und was ist, wenn man uns einen Eid schwören lässt, auf dass wir die Wahrheit sagen?« Gero sah seinen Vater verständnislos
an.
»Dazu wird es nicht kommen«, sagte Richard und wechselte mit einem Blick zu Struan abermals ins Französische. »Denkst du ernsthaft,
ich würde es zulassen, dass mein Sohn und sein mit angeklagter Ordensbruder an einen solchen Hund wie Philipp IV. ausgeliefert
werden.«
|576| »Ich möchte nicht, Vater, dass Ihr wegen mir in einen Loyalitätskonflikt mit dem Erzbischof geratet. Er ist unser Lehnsherr«,
erwiderte Gero leise. »Ich habe Euch schon genug Sorgen bereitet.«
»Diether von Nassau liegt seit Wochen im Delirium, und sein Subdiakon Balduin von Luxemburg traut sich vermutlich nicht, den
Anweisungen des franzischen Königs Nachdruck zu verleihen, ohne dass er Unterstützung in Form eines Papstschreibens erhält.
Und soweit ich den Erklärungen der Delegation entnehmen konnte, ist das bisher noch nicht geschehen.«
»Diether von Nassau wird bald sterben. Und schon im Dezember wird Balduin sein Nachfolger werden«, rutschte es Gero heraus.
»Woher weißt du das?« Roland von Briey, der nichts von Geros Geheimnissen wusste, sah ihn mehr als erstaunt an.
»Das tut nichts zur Sache«, sagte Richard von Breydenbach schroff. Er ahnte, woher sein Sohn dieses Wissen hatte. »Unter diesen
Umständen könnt ihr unmöglich nach Franzien zurückkehren. Das wäre der sichere Tod. Ich werde gleich morgen einen Boten nach
Koblenz zu den Deutschherren schicken und um eine Audienz beim dortigen Meister bitten.«
»Ich habe nicht vor, zu den Deutschen zu wechseln«, erwiderte Gero auffallend ruhig. »Und meine Kameraden auch nicht. Das
wisst Ihr bereits. Wir werden Henri d’Our befreien.«
»Gero, höre ausnahmsweise auf den Rat deines Vaters«, warf Roland von Briey ein. »Eine gut geplante Flucht ist der einzige
Weg, der euch bleibt. Die Deutschen sind alles andere als zimperlich und scheren sich nicht um das, was der König von Franzien
sagt. Bei einem guten Kämpfer ist es ihnen vollkommen gleich, welches Leben er auf dem Gewissen hat. Dort könntet ihr mühelos
Unterschlupf finden.«
»Roland hat recht«, bemerkte Richard entschlossen. Nach dem ersten Schrecken hatte er sich wieder gefasst. »Doch dafür benötigt
ihr eine völlig neue Identität. Andere Namen, Geleit- und Freibriefe, Plaketten, Dokumente, die eure adlige Herkunft bescheinigen.«
»Und wo wollt Ihr das alles auf die Schnelle herbekommen, Vater?« Gero sah ihn verblüfft an.
»Du kennst meine Verbindungen. Lass mir zwei Tage Zeit, und wir haben alles beisammen.«
|577| »Ich bitte Euch, uns mit der gleichen Sorgfalt Papiere für unsere Reise nach Franzien zu beschaffen.«
»In Gottes Namen, was bist du für ein Sturkopf«, mischte sich Geros älterer Bruder aufgebracht ein. »Du stürzt uns alle ins
Unglück! Wenn wir nicht höllisch acht geben, nimmt uns der Erzbischof am Ende die Burg. Mit den Deutschherren lassen sich
im Osten immer noch satte Gewinne machen. Im Augenblick planen sie einen Kreuzzug, mit dem sie noch weiter in die wendischen
Gebiete eindringen wollen, und sie sind froh um jeden qualifizierten Kämpfer, den sie bekommen können.«
»Verzeih, Bruder, deine Rede ist umsonst«, erwiderte Gero trotzig. »Allein
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