Das Rätsel der Templer - Roman
unser Vater und meine Kameraden wissen warum.«
»Du bist wahnsinnig, Junge«, stöhnte Richard mit Verzweiflung im Blick.
»Was haben wir denn zu verlieren?« fragte Gero.
»Euer Leben«, erwiderte Richard knapp.
»Das ist ohnehin verwirkt, wenn es uns nicht gelingt, den Orden zu retten«, antwortete Gero tonlos. »Wenn wir noch nicht einmal
mehr unsere Namen tragen dürfen, was hat es dann noch für einen Sinn?«
Mit einem Blick auf Struan wollte er sich dessen Zustimmung versichern, doch der Schotte hatte der hitzigen Konversation,
die sowohl in Franzisch als auch auf Deutsch geführt worden war, nur stückweise folgen können.
»Dieser Satan in Franzien hat alles auf dem Gewissen, was mir lieb und teuer ist«, fuhr Gero leise auf Franzisch fort, »und
er soll mich nicht in dem Gefühl sterben lassen, dass ich nicht alles gegeben habe, um ihn aufzuhalten.«
Gero hatte mit größter Entschlossenheit gesprochen. Richard von Breydenbach war sich darüber im Klaren, dass er seinen Jüngsten
nicht aufzuhalten vermochte, wenn es um das weitere Schicksal seines Ordens und das all seiner Brüder ging, die er in Franzien
hatte zurücklassen müssen. Dass ihm darüber hinaus das Wohlergehen seiner merkwürdigen Begleiter aus der Zukunft am Herzen
lag, hatte der Burgherr längst erkannt.
»Also gut«, sagte Richard steif. »Ich werde dir zur Seite stehen, was immer du auch vorhast.«
|578| »Du bleibst bitte bei meiner Mutter«, flüsterte Gero, als er zu Hannah in den Rittersaal zurückkehrte. »Wir haben etwas zu
besprechen. Unter Männern.«
Hannahs Augen weiteten sich vor Verblüffung, als er Anselm ein Zeichen gab, dass er ihm getrost folgen durfte. Erst der martialische
Auftritt der bischöflichen Soldaten, dann der Burgherr, der mit seinen Söhnen fluchtartig die Halle verlassen hatte, und jetzt
ließ Gero sie hier sitzen, unter dem Vorwand einer augenscheinlich wichtigen Besprechung, an der er zwar Anselm, aber nicht
sie teilnehmen durfte.
Mit raumgreifenden Schritten folgte Anselm, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen, den beiden Mönchsrittern, an deren
stolzer Haltung man sehen konnte, dass sie mit Leib und Seele Krieger waren.
Obwohl Hannah nicht wusste, was der genaue Hintergrund dieser eilig einberufenen Beratung sein sollte, beschlich sie eine
Ahnung. Entschlossen erhob sie sich. Amelie, die junge Frau mit den blonden Locken, saß einsam am Nachbartisch. Hannah hatte
beobachten können, dass ihr schwarzhaariger Gefährte ihr ähnlich kompromisslos etwas zugeraunt hatte, bevor er den Saal verließ.
Allerdings war die Frau nicht wie Hannah vor Zorn rot angelaufen, sondern blass geworden. Nervös nippte sie an ihrer Milch
und warf Hannah über den Becherrand hinweg einen prüfenden Blick zu. Eine solche Frau war es wahrscheinlich gewohnt, dass
sie den Mund zu halten hatte, während sich ihr Geliebter rückhaltlos ins Verderben stürzte.
Am liebsten hätte Hannah das Mädchen bei der Hand gefasst und sie dazu ermutigt, sich der Suche nach den Männern anzuschließen.
Doch zum einen gab es ein Problem mit der Verständigung, und zum anderen wollte Hannah es nicht riskieren, dass die junge
Frau den geballten Unmut ihres hünenhaften Begleiters zu spüren bekam. Die beiden hatten ohnehin genug Schwierigkeiten. Gero
hatte Hannah in der Nacht zuvor im Vertrauen erzählt, dass das Mädchen von dem Schotten schwanger war und eine Heirat wegen
der noch bestehenden Ordenszugehörigkeit ihres Liebsten zurzeit nicht in Frage kam.
Ohne auf ihre Umgebung zu achten, erhob sich Hannah vom Tisch und lief an Geros Mutter vorbei über einen breiten Flur in Richtung
Wendeltreppe. Mit gerafftem Rock hastete sie die engen Stufen zur obersten Etage hinauf. Vor der Kammer des flandrischen Ordensbruders, |579| der nach Geros Worten immer noch krank im Bett lag und den er ihr aus diesem Grund noch nicht vorgestellt hatte, machte sie
Halt. Sie war sich ziemlich sicher, dass Gero nicht darauf verzichten würde, ihn bei seinem weiteren Vorgehen ins Vertrauen
zu ziehen.
Hinter der dicken Eichenholztür waren tatsächlich mehrere Männerstimmen zu hören, die durcheinander sprachen. Zaghaft drückte
Hannah die schwere Klinke herunter.
Gero sah erstaunt auf, als sie das Zimmer betrat. »Hatte ich nicht gesagt, du sollst unten auf mich warten?«
Die Blicke seiner Kameraden wandten sich neugierig in ihre Richtung. Anselm, der sich auf einer der Fensterbänke
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