Das Rätsel der Templer - Roman
Ihr seid mir herzlich willkommen.«
Nach einer wärmenden Begrüßung mit Hühnerbrühe und Brot hielt die Wirtin vom
Weißen Schwan
, wie sich das einladende Wirtshaus |166| nannte, eine besondere Überraschung für ihre Gäste bereit. Während sie Amelie selbst zur Hand ging, indem sie dem völlig erschöpften
Mädchen ein warmes Bad in ihrer Kammer hatte richten lassen, überließ sie die Versorgung der Männer den übrigen Bewohnerinnen
des Hauses. Gero und seine Kameraden wurden in einen großzügigen Raum geführt, wo sich ein hölzerner Waschbottich an den nächsten
reihte. Gestelle mit schützenden Vorhängen, Wandregale voller Karaffen mit duftendem Öl und allerlei neckischem Spielzeug,
dazu anzügliche Wandmalereien ließen in Gero eine gewisse Ahnung aufkeimen, die ihm eigentlich schon bei der freizügigen Kleidung
der Frauen hätte kommen müssen.
»Ein sündhaftes Badehaus«, flüsterte Johan mit wachsender Begeisterung, nachdem er völlig entkleidet in einem der mit heißem
Wasser gefüllten Bottiche Platz genommen hatte.
Drei anmutige Kammermägde in durchscheinenden Gewändern bemühten sich um ihr Wohlergehen, indem sie den Ritterbrüdern unaufgefordert
den Rücken schrubbten. Struan schickte ein Dankgebet zum Himmel, dass Amelie auf ihrem Zimmer geblieben war.
Während Gero noch mit seinem Gewissen kämpfte, genoss Johan die handfeste Zuwendung der schönen Gehilfinnen. Als die Frauen
es jedoch auf Johans bestes Stück abgesehen hatten, wurde es selbst ihm zu heikel. Gero, der das Treiben der Weiber schon
allein wegen Matthäus mit Argwohn beobachtet hatte, sprang ihm bei und forderte die Damen mit erhobener Stimme dazu auf, hinauszugehen
und endlich den Wein und das versprochene Mahl zu servieren, das in solchen Häusern traditionell noch während des Badens eingenommen
wurde.
Nach dem Essen zogen sich die Ritterbrüder, nur in Unterwäsche und warm eingepackt in Wolldecken, in eine gemeinsame Kammer
mit ausreichend Schlafplätzen zurück. Ein Ofen spendete wohlige Wärme. Amelie und Matthäus, denen jeweils ein eigenes Bett
zur Verfügung stand, waren recht schnell eingeschlafen.
Im Schimmer des Feuers richteten sich die Blicke der Kameraden auf Gero, der auf einem der Betten saß und augenscheinlich
vor sich hin grübelte. Schließlich schaute er auf und seufzte leise.
»So wie ich bei den Gästen in der Schankstube heraushören konnte, ist das Vorgehen König Philipps tatsächlich noch nicht bis
in die deutschen |167| Lande gedrungen. Deshalb werden wir morgen in aller Frühe den Weg nach Trier antreten und die dortigen Brüder warnen. So Gott
will, erreichen wir am Abend die Zisterzienserabtei von Hemmenrode. Dort werde ich Matthäus unterbringen. Am nächsten Tag
werden wir Amelie dem Schutz meiner Mutter überantworten. Nachdem wir die Komturei in Brysich gewarnt haben, werden wir zu
den Zisterziensern nach Heisterbach weiterreisen. Dort wartet unsere eigentliche Aufgabe.«
»Was ist mit deinem Vater?« Struan sah Gero erwartungsvoll an. »Wird er nicht fragen, was geschehen ist und was wir zu tun
gedenken?«
»Schon möglich«, erklärte Gero. »Aber ich habe gegenüber d’Our ein Gelübde abgelegt, das ich zu niemandem über unseren Auftrag
spreche. Selbst ich werde erst vor Ort erfahren, worin genau unsere Aufgabe besteht.«
»Bei Gott, so sei es«, bekräftigte Johan Geros Worte und bekreuzigte sich andächtig.
10
Montag, 16. Oktober 1307 – Marien ad Ponte – Ankunft in Trier
Dichter Frühnebel lag über dem Moseltal. Dort, wo er aufriss, gestattete er einen Ausblick auf die kleinen Dörfer, deren blitzsaubere
Fachwerkhäuser sich wie Perlen an einer Schnur entlang des gemächlich dahin treibenden Flusses reihten.
Das Schiff nach Trier lag abfahrbereit am Anleger und wartete auf zahlungskräftige Gäste. Einige Kaufleute hatten sich bereits
mit ihrem Gepäck und ein paar Maultieren an Bord versammelt. Die Bohlen des Lastkahnes erzitterten, als Gero und seine Kameraden
die Schlachtrösser an Bord führten.
»Die Pferde kosten extra«, rief ihnen ein rotwangiger Schiffsjunge entgegen.
»Sehr wohl, junger Herr«, antwortete Gero leichthin und übergab dem Burschen die Zügel seines Percherons, »wenn ich dafür
erwarten kann, dass du die Tiere in den Verschlag führst.«
|168| Der Junge stockte. Er ging Atlas noch nicht einmal bis zur Brust. Der ansonsten unerschrockene Hengst mochte es nicht, wenn
er auf unsicherem
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