Das Rätsel der Templer - Roman
Grund stand, und schnaubte nervös, wobei er dampfende Atemwolken ausstieß, als ob er damit seinen Ruf als
feuriges Ross geradezu unterstreichen wollte. Unentschlossen stand der Junge vor dem vermeintlichen Ungeheuer und getraute
sich nicht, es anzufassen.
»Mattes, zeig dem jungen Herrn, wie man mit anständigen Pferden umgeht«, sagte Gero an seinen Knappen gerichtet.
Mit abgeklärter Miene führte Matthäus unter den staunenden Augen des Schiffsjungen ein Tier nach dem anderen in den für die
Reise vorgesehenen Verschlag und band die Zügel an die hölzerne Umrandung. Arnauds widerspenstiger Flamländer scheute gewohnheitsmäßig.
Nur Amelies kleine, braune Stute ließ die Prozedur geduldig über sich ergehen. Brav trottete das gutmütige Tier hinter Matthäus
her, als er es vom Ufer aus auf das Schiff geleitete.
»Hier«, sagte er, als er das Pferd halb auf den Holzplanken stehen hatte, und übereichte dem Schiffsjungen großzügig die Zügel.
»Vielleicht solltest du damit anfangen zu üben.«
Gero angelte ein kleines Silberstück aus dem kostbaren Hirschlederbeutel, den d’Our ihm überlassen hatte, um die Überfahrt
zu bezahlen. Unvorhergesehen erwartete ihn in Person des wettergegerbten Moselschiffers die zweite Feuerprüfung auf deutschem
Boden.
»Ihr müsst entschuldigen, hoher Herr«, nuschelte der Alte und verbeugte sich tief. »Mein Schiffsjunge ist ein einfältiger
Tropf. Anscheinend weiß er nicht, dass Ihr als Angehörige des Templerordens von Fluss- und Brückenzöllen befreit seid.«
Johan nickte erleichtert. Zum einen weil der Mann anscheinend keinen Argwohn hegte, was ihre Zugehörigkeit zum Orden betraf,
zum anderen, weil nichts in seiner Miene verriet, dass vielleicht etwas nicht in Ordnung sein könnte. Erst am Morgen hatten
die Ritterbrüder nach längerem Hin und Her entschieden, Wappenrock und Chlamys wieder zu tragen.«
Der Schiffer verharrte immer noch in einer Art demütigen Verbeugung, als er überraschend laut nach seinem Gehilfen schrie.
»Jodokus! Beweg deinen Arsch sofort hierher, ansonsten soll dich die Pest holen!«
|169| Das braunhaarige, schmächtige Kerlchen kam herbeigeeilt, obwohl ihm die Angst vor Strafe bereits ins Gesicht geschrieben stand.
»Herr?«, keuchte er atemlos und richtete seinen verwirrten Blick abwechselnd auf seinen Meister und die weiß gewandete Kundschaft.
Der Alte packte den Burschen am Nacken und zwang dessen Oberkörper vor Gero in die Tiefe.
»Sieh, Jodokus. Das sind Tempelherren. Männer von Mut und Ehre. Wenn du demnächst einem solch roten Kreuz begegnest, wirst
du ihm deine Hochachtung zollen und nicht unbotmäßige Forderungen stellen. Du kannst froh sein, dass die Brüder keine Züchtigung
verlangen.«
Struan, der nichts verstanden hatte, schüttelte kaum merklich den Kopf. Obwohl er selbst raue Sitten gewohnt war, tat ihm
der Junge leid.
»Lasst es gut sein«, beschied Gero dem Alten. Ihm erzeugte der ganze Rummel zuviel Aufmerksamkeit. Die übrigen Fahrgäste standen
mit offenen Mündern auf dem Kahn und gafften. Matthäus hatte sich peinlich berührt hinter Johan geschoben, dem der überraschende
Auftritt des Schiffseigners ebenfalls unangenehm war.
»Ihr zahlt nur den halben Preis«, sagte der Schiffer großzügig. »Wie es den Angehörigen Eures Ordens gebührt.« Dann ließ er
von dem Jungen ab, der scharlachrot angelaufen war, und stieß ihn fest in den Rücken, so dass er auf seinem Weg zurück aufs
Schiff beinahe ins eiskalte Wasser gestolpert wäre.
Nachdem Gero den Mann entlohnt hatte, beobachtete er die Schiffsbesatzung, die sich nun wieder mit dem Einholen der Seile
und der Befestigung von Fässern und Kisten beschäftigte. Auch die Blicke der übrigen Mitreisenden zeugten nur noch von beiläufigem
Interesse.
Plätschernd schlug das Wasser gegen den Bug, während die Schiffer sich mit langen Staken vom Ufer abstießen und den Kahn langsam
in die Mitte des Flusses dirigierten.
Der Nebel lichtete sich allmählich. Zunehmend brach die Sonne hervor und ließ die Mosel wie ein Silberband glitzern.
Matthäus stand am Heck und beobachtete, wie zwei Männer in einem kleinen, sich gefährlich zur Seite neigenden Boot ein prall
gefülltes Netz an Bord zogen, in dem zahlreiche, schillernde Fische zappelnd |170| ums Überleben kämpften. Hier und da hüpfte noch ein unverdrossenes Exemplar verzweifelt empor.
Nachdenklich starrte der Junge auf die Wellen, die das Schiff beim Ablegen
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