Das Rätsel der Templer - Roman
den nördlichsten Zipfel des Herzogtums
Lothringen erreichten, der mit den Ausläufern der Grafschaft Luxemburg und des Erzbistum Trier eine Art Dreiländereck bildete.
Die glutrote Sonne sank hinter den tiefhängenden Wolken wie in ein violettfarbenes Meer und tauchte die Berglandschaft in
ein goldenes Licht, als der kleine Trupp in ein zerklüftetes Seitental ritt. Der Weg hinab zur Mosel war herrlich. Die Weitsicht
in die farbenprächtige |164| Umgebung wurde von einer klaren, kalten Luft begleitet. Von weitem sah man die gewaltigen Festungsmauern von Burg Sirck, die
dem Hause Lothringen als Zufluchtsstätte diente.
Trotz des guten Wetters war Amelie anzusehen, dass sie fror und völlig erschöpft im Sattel saß.
»Wir müssen eine anständige Unterkunft für die Nacht finden.« Struans Stimme klang beinahe beschwörend, als sie auf einem
Felsvorsprung mitten in den Weinbergen für einen Moment Rast machten.
Gero nickte bedächtig. Matthäus brauchte ebenfalls ein warmes Nachtlager.
»Ich werde vorausreiten und mich nach einem Gasthof umschauen«, sagte er leise.
Er half dem Jungen vom Pferd und stieg dann selbst ab.
»Wie soll es überhaupt weitergehen?« Johans Blick war voller Zweifel.
»Das erkläre ich euch später«, bemerkte Gero mit angespannten Gesichtszügen. »Zuerst müssen wir sehen, ob wir in dieser Gegend
sicher sind.«
»Wie kommst du eigentlich darauf, dass wir in den deutschen Landen nicht verfolgt werden?« Struan sah ihn fragend an.
»D’Our hat es mir gesagt.«
»Und woher weiß der Komtur das so genau?«
»Vertrau mir«, erwiderte Gero. »Wenn ich nach Sonnenuntergang nicht zurück bin, geht in den Wald und versteckt euch dort.
Danach begebt ihr euch unverzüglich auf die Burg meines Vaters. Verstanden?«
Johan schüttelte schweigend den Kopf, doch er widersprach nicht, sondern nahm sich Matthäus an, der unverkennbar den Tränen
nahe war, als Gero sich anschickte davonzureiten.
Nach etwa einer viertel Meile erreichte Gero ein kleines Dorf, direkt an einer Schiffsanlegestelle. Schon von weitem stieg
ihm der Duft von gebratenem Fleisch in die Nase. Heilige Jungfrau, betete er still, hilf, dass uns hier keine lauernden Soldaten
erwarten, und gib uns eine warme Mahlzeit und ein trockenes Lager für die Nacht.
Die Uferstraße war menschenleer, aber aus dem Kamin eines stattlichen Fachwerkbaus, der mit seinen zwei langen Wirtschaftsgebäuden
ein Hufeisen bildete, drang dichter Rauch.
|165| Gero sah sich um. Zwei gesattelte Pferde waren draußen angebunden. Von Soldaten fand sich jedoch keine Spur. Er band Atlas
an eine Stange und ging im Halbdunkel mit einer Hand am Schwertknauf auf den Eingang des Hauses zu. Eine dralle, ganz in gelb
gewandete Frau mittleren Alters kam ihm entgegen und stieß einen entsetzen Schrei aus, als er ihr unvermittelt den Weg nach
draußen versperrte. Sofort stürmten ein paar Männer aus der dahinterliegenden Schankstube. Mit der Zurschaustellung ihrer
bescheidenen Messer und Knüppel, die sie demonstrativ an ihren Gürteln trugen, versuchten die durchweg bäuerlichen Gestalten
vergeblich, Gero einzuschüchtern.
Der Templer musste unwillkürlich lachen und ließ dabei sein Schwert sinken. Er konnte sich vorstellen, wie er auf sie wirken
musste, in seinen schmutzigen Kleidern und mit einem todbringenden Anderthalbhänder im Anschlag.
»Himmelherrgott, habt Ihr mich erschrocken!« Der Blick der Frau war anklagend, aber ihre Stimme klang eher versöhnlich.
»Habt Ihr ein Zimmer frei, gute Frau«, entgegnete Gero so freundlich wie nur irgend möglich. »Und gibt es hier vielleicht
ein warmes Bad und etwas zu essen?«
Die Wirtin war nicht hübsch, aber sie hatte gutmütige Augen mit einem schelmischen Ausdruck darin. »Für einen Mann des Tempels
immer«, sagte sie schließlich mit einem anzüglichen Grinsen, während sie ihre Hände in die Hüften stemmte und ihren wogenden
Busen hin und her wiegte.
Gero war im ersten Moment überrascht, dass sie wusste, woher er stammte. Er hatte seinen Mantel absichtlich zurückgelassen,
weil er nicht wusste, wer oder was ihn hier erwartete. Doch dann sah er, dass ihr Blick auf die Runde seines Schwertes gefallen
war. Dort war das Croix Patée des Ordens gut sichtbar eingraviert.
»Seid Ihr allein?«, fragte die Frau mit hoch gezogenen Brauen.
»Nein«, erwiderte er zögernd. »Wir sind zu fünft. Drei Männer, eine Frau und ein Kind.«
»Was auch immer Euer Begehr ist,
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