Das Rätsel des Orakels - Die Zeitdetektive ; 8
an der Quelle, als Irini verschwand?“
Julian schnippte mit den Fingern. „Das könnte Medias wissen. Er kennt doch angeblich jeden in Delphi. Lasst uns ihn befragen!“
Die Freunde schlüpften unbemerkt am Wachposten, der neben dem Tor des Tempelbezirkes stand und in ein Gespräch mit einem Pilger vertieft war, vorbei und liefen zur Agora. Nach einigem Suchen fanden sie Medias schließlich in der Schenke „Dionysos“. Der Seher hockte an einem Tisch und redete auf einen jüngeren und einen älteren Mann ein, die in wertvolle Stoffe gekleidet und offensichtlich sehr reich waren. Die Kinder wagten nicht zu stören, blieben aber in der Nähe und konnten der Unterhaltung lauschen. Zum Glück war der Wirt von anderen Gästen abgelenkt, sonst hätte er die Freunde sicher hinausgeworfen.
„Oh, edler Battos“, sagte Medias gerade mit einem honigsüßen Lächeln. „Glaubt mir, meine Kunst der Wahrsagerei sucht ihresgleichen!“
Der Mann mit dem Namen Battos winkte ab. „Geschenkt! Wir wollen das Orakel befragen und nicht irgendeinen Seher.“
„Aber das Orakel ist heute geschlossen“, redete Medias weiter. Er wandte sich an den Jüngeren. „Was wollt ihr denn vom Orakel wissen, werter Philippos?“
Der junge Mann seufzte. „Ich soll heiraten!“ Er warf Battos einen bösen Blick zu. „Und mein Vater hat die reiche Phano für mich ausgesucht. Doch sie ist furchtbar hässlich. Ich liebe die schöne Eleftheria, die …“
„… völlig verarmt ist“, ergänzte sein Vater streng. „Eine solche Hochzeit wäre vollkommen nutzlos!“
„Ich sehe schon“, säuselte Medias. „Das ist eine ernste Angelegenheit. Genau das Richtige für mich. Für ein paar Drachmen will ich gern für euch die Götter befragen, welche Entscheidung richtig ist – die für das Herz oder die für den Geldbeutel.“
Ruckartig erhob sich Battos und schob die Reste des Essens in die Tischmitte. „Genug geredet, wir gehen jetzt. Komm schon, Philippos!“
Widerwillig folgte Philippos seinem Vater aus der Schenke.
Ergeben hob Medias die Schultern. Dann wandte er sich an die Freunde. „Wo kommt ihr denn jetzt her? Nicht, dass ich euch vermisst hätte, aber ich hatte wenigstens Dank von euch erwartet.“
Julian berichtete, was sich inzwischen alles ereignet hatte.
„Wunderbar, dann seid ihr ja jetzt versorgt“, rief Medias. „Und ich hoffe, dass ich heute auch noch Glück habe. Dieser Battos ließ sich einfach nicht überzeugen, dass die Zukunft seines Sohnes in meinen Händen liegt!“
„Wo kommen Battos und Philippos her?“, wollte Leon wissen.
„Aus Tyros “, antwortete Medias. „Battos ist dort ein reicher Kaufmann. Sagt er jedenfalls, der alte Geizhals!“
Nun begann Julian, das Gespräch auf ihr Ziel hinzulenken. Und sie hatten Glück: Medias kannte tatsächlich jeden Hirten in Delphi. „Der alte Sitalkes treibt seine Herde gern zur Kastalischen Quelle. Gestern war er bestimmt auch dort. Als ich zur Jagd aufbrach, sah ich, wie er mit seinen Schafen in diese Richtung zog.“
Plötzlich hatten es die Freunde sehr eilig, sich zu verabschieden. Sie ließen den verdutzten Medias in der Schenke zurück und fragten sich zum Haus von Sitalkes durch. Es lag etwas abseits der Stadt auf einem Hügel und war von Getreidefeldern und einem Olivenhain umgeben. Die Hütte war ein einfacher Steinbau mit einem Brunnen davor. In einem Pferch drängten sich etwa fünfzig Schafe.
„Das sieht gut aus“, sagte Kim. „Scheint so, als sei der Hirte heute zu Hause!“
Sie hatte Recht. Auf ihr Klopfen öffnete ein alter Mann.
„Drei Kinder und eine Katze – seltsam … Meine Frau und ich bekommen fast nie Besuch. Bringt ihr mir eine Nachricht? Falls ja, dann ist es hoffentlich eine gute, beim Hermes .“
„Eine Botschaft haben wir nicht“, entgegnete Kim und lächelte den Alten freundlich an. „Aber wir wollen dich etwas fragen.“
Schlagartig wurde Sitalkes misstrauisch. „So?“
„Wir kommen im Auftrag von Korobios“, flunkerte Kim und erntete dafür überraschte Blicke von Leon und Julian. „Du hast vielleicht auch schon gehört, dass Irini verschwunden ist. Ihre Spur verliert sich an der Kastalischen Quelle. Und du warst doch gestern dort …“
Sitalkes hob abwehrend die Hände. „Ich? Aber nein!“ Hastig schüttelte er den Kopf. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet. „Nein, ich war nicht da, habe nichts gesehen. Lasst mich in Ruhe! Sonst …“ Er drehte sich um und packte eine Mistgabel, die neben der
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