Das Rätsel des Orakels - Die Zeitdetektive ; 8
Tür stand. Drohend richtete er die spitzen Zinken auf die Freunde. „Verschwindet!“, zischte er.
Julian, Kim und Leon rannten, so schnell sie konnten, den Hügel hinunter. Nach etwa hundert Metern blieben sie keuchend stehen.
„Das war ja wohl nichts.“ Julian klang enttäuscht.
„So sehe ich das nicht“, widersprach Kim. „Sitalkes hat nicht die Wahrheit gesagt. Der war doch total nervös und wurde dann auch noch aggressiv. Ich sage euch, der Hirte hat etwas zu verbergen.“
Leon nickte. „Außerdem scheint er vor etwas große Angst zu haben – aber vor was?“
„Das werden wir schon noch herausfinden!“, sagte Kim entschlossen.
Die unheimliche Priesterin
Die unheimliche Priesterin
Theodorus weckte sie am nächsten Morgen in aller Frühe.
„Auf, auf!“, rief er. „Es gibt viel zu tun!“
„Was denn?“, murmelte Leon verschlafen.
Der Priester seufzte. „Irini ist leider immer noch verschwunden und wir, die Priester, haben eine neue Pythia ernannt: Thargelia.“
„Wie wird man denn eigentlich Pythia?“, wollte Kim wissen.
„Sie muss aus Delphi stammen, jung sein, über seherische Fähigkeiten verfügen und bereit sein, ihr Leben lang allein Apollon zu dienen. Thargelia erfüllt alle Voraussetzungen. Möge sie ähnlich erfolgreich sein, wie es ihre Vorgängerin einst war. Arme Irini! Hoffentlich geht es ihr gut, bei Aphrodite !“
„Wird das Orakel heute wieder geöffnet?“, fragte Julian.
Theodorus nickte. „Ja, und ihr werdet neue Aufgaben bekommen, das hat Korobios angeordnet.“
Nun waren die Freunde hellwach.
„Ihr sollt bei den Zeremonien helfen“, fuhr der Priester fort. „Dabei werdet ihr getrennt. Das Mädchen soll die Pythia unterstützen und Lorbeerblätter auf dem Altar verbrennen. Die Jungen werden die Ratsuchenden begleiten und bei den Waschungen und Opferungen helfen.“
Kim sprang von ihrer Pritsche. „Wir werden also in den Apollon-Tempel gelangen?“
„Ja“, erwiderte Theodorus knapp. „Aber freut euch nicht zu früh. Mit diesen Privilegien sind auch Pflichten verbunden.“
„Die wären?“, fragte Leon misstrauisch.
Der Priester senkte die Stimme. „Ihr werdet zu Vertrauten des Apollon, ihr werdet seine Diener. Das bedeutet, dass ihr zu absolutem Gehorsam verpflichtet seid.“ Er sah die Kinder der Reihe nach an. In seinen Augen funkelte es. „Ihr werdet die Orakelstätte nicht mehr ohne Erlaubnis verlassen, so wie ihr es gestern getan habt. Auch das hat Korobios angeordnet.“
Verblüfft schauten sich die Freunde an. Offenbar beobachtete man jeden ihrer Schritte genau …
„Außerdem werdet ihr aufhören, Fragen zu stellen“, fuhr Theodorus fort. „Es sei nicht eure Aufgabe, sagt Korobios, den Willen der Götter zu hinterfragen. Habt ihr verstanden?“
Zögernd nickten die Freunde.
„Seid auf der Hut, sonst trifft euch der Fluch!“, warnte Theodorus, während er zur Tür ging. „Und haltet euch bereit, wir holen euch gleich zur Zeremonie.“
Eine halbe Stunde später wurde zunächst Kim von dem kleinen missmutigen Androtion abgeholt. Kija rieb sich an ihren Beinen und sprang ihr hinterher, als Kim die Kammer verließ.
„Bleib hier!“, rief Julian, aber Kija beachtete ihn nicht. Wie ein Schatten blieb sie in Kims Nähe.
Androtion führte Kim in ein kleines Gebäude am hinteren Ende des Tempels. Dort erhielt sie einen neuen, knöchellangen Chiton.
Sobald sie umgezogen war, brachte Androtion sie zu einer kleinen Prozession, die an einem der Tore wartete. Dort standen Korobios, einige andere Priester – und Thargelia, die neue Pythia!
Kim erschrak, als sie näher herantrat. Das schmale Gesicht der jungen Frau war ungewöhnlich blass, fast totenbleich. Ihr pechschwarzes Haar hing der Pythia wirr in die Stirn. Thargelia blickte in Kims Richtung, schien sie aber nicht wahrzunehmen. Ihr Gesicht blieb eine unbewegliche Maske, die Augen waren starr auf einen Punkt irgendwo hinter Kims Kopf gerichtet. Trotz der Hitze, die sich bereits zu dieser frühen Morgenstunde über Delphi gelegt hatte, fror Kim einen Moment. Die neue Priesterin war ihr unheimlich.
Wortlos schob Korobios Kim ans Ende des kleinen Zuges. Dann setzte er sich selbst an dessen Spitze und marschierte auf das Tor zu, während ihm die anderen folgten. Die Pythia verhüllte ihr Gesicht nun mit einem Schleier.
Kim hielt den Kopf gesenkt, als fürchtete sie, man könne ihre Gedanken lesen, sobald sie aufsähe. In ihrem Kopf wirbelten tausend Fragen durcheinander. Warum
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