Das Raetsel von Flatey
ist bloß ein bisschen weit für ein offenes Boot,
und dazu noch nachts.«
Bryngeir marschierte wieder am
Gefrierhaus vorbei und zurück zum Kai. Er betrachtete die
Boote, die dort vertäut waren.
»Aber der da, dem das schwarze
Boot gehört?«, fragte er. »Würde er mich nach
Stykkishólmur bringen können?«
»Wohl kaum«, sagte Benni.
»Valdi von Endenkate hat eigentlich nie genug Geld für
Sprit. Außerdem kann er auch umsonst mit dem Postschiff
fahren, weil er immer die Trossen entgegennimmt, wenn es hier
anlegt.«
»Besuchen wir ihn doch einfach
mal in seiner Hütte. Du zeigst mir den
Weg.«
Benni trottete den Pfad entlang vor
ihm her. Unten am Strand sahen sie den kleinen Nonni, der sie
ebenfalls erblickt hatte.
»Papa, Papa«, rief Nonni
in Richtung Endenkate. »Da kommen zwei große
Männer. Der Benni da vom Rathof und der andere, dieser
Schnapskerl.«
Valdi stand vor dem Haus, als
Bryngeir und Benni dort ankamen. Bryngeir betrachtete Valdi
schweigend, und Benni hielt sich zurück.
»Was wollt ihr hier?«,
fragte Valdi schließlich.
»Könntest du mich heute
Abend nach Stykkishólmur bringen?«, fragte
Bryngeir.
»Warum bist du nicht mit dem
Postschiff gefahren?«, fragte Valdi.
»Ich habe es verpasst, weil ich
zu spät gekommen bin.«
Jón Ferdinand kam aus dem
Haus, während Valdi überlegte.
»Ich seh nichts mehr, ich seh
nichts mehr«, kreischte der Alte.
»Herrgott noch mal, vielleicht
machst du mal einfach die Augen auf, dann siehst du was, du
Trottel«, sagte Valdi.
»Ah, ja, jetzt sehe ich wieder
Licht, Valdi. Du bist ja so gut zu mir«, sagte Jón
Ferdinand froh.
»Was für einen Schwachsinn
du immer verzapfst, Papa. Man muss sich ja für dich
schämen«, sagte Valdi wütend und wandte sich wieder
Bryngeir zu. »Du kannst vielleicht jemanden von den inneren
Inseln dazu bringen, dich morgen nach dem Gottesdienst an Land zu
bringen. Sie kommen alle zu Pfingsten zur
Kirche.«
»Aber ich muss heute Abend nach
Stykkishólmur. Was willst du dafür
haben?«
Valdi schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht weg von hier. Ich hab die Verantwortung
für meinen Jungen und meinen Vater. Der ist völlig
durcheinander.«
»Aber wenn ich dir dreitausend
Kronen bezahlen würde?«
»Dreitausend
Kronen?«
»Ja.«
»Das ist viel Geld.«
Valdi rechnete im Kopf. »Das ist ja fast so viel wie
fünf vollständig verarbeitete
Seehundfelle.«
»Ja, das ist eine ganze Menge
Geld, aber es ist wirklich sehr dringend.« Bryngeir zog sein
Portemonnaie aus der Hosentasche.
Valdi stopfte seine Pfeife und
zündete sie an. »Aber ich kann nicht ohne Papa fahren.
Ich muss auch erst noch Sprit besorgen, deswegen musst du mir
vorweg bezahlen.«
Bryngeir drehte sich grinsend zu
Benni um. »Siehst du, es ist nur eine Frage des richtigen
Preises.« Zu Valdi sagte er: »Hör zu, ich glaube,
es ist doch nicht so dringend, dass ich nach Stykkishólmur
komme.«
Valdi brauste auf: »Du hast
mich also nur zum Besten haben wollen?«
Bryngeir lachte. »Ich wollte
bloß herausfinden, wie hoch der Fahrpreis ist, mein
Lieber.«
»Macht, dass ihr
wegkommt«, sagte Valdi wütend und trat drohend einen
Schritt auf Bryngeir zu, der grinsend zurückwich, aber dabei
über einen Grashuckel stolperte und sich auf den Hintern
setzte.
Benni trat dazwischen und sagte zu
Valdi: »Ich bring ihn jetzt weg und sorge dafür, dass er
nicht wiederkommt.« Dann half er Bryngeir auf die Beine und
führte ihn weg. Als sie ein kleines Stück vom Hof
entfernt waren, sagte Benni: »Du solltest Valdi nicht in Rage
bringen. Der kann vollkommen die Beherrschung verlieren. Vor vielen
Jahren hat er einmal einen Fremden fast erwürgt, als sie in
Streit gerieten. Der Mann konnte sich nur dadurch retten, dass er
Valdi einen Finger ins Auge stieß, deswegen ist er auf dem
einen Auge blind.«
Bryngeir schien mit diesem
ungeordneten Rückzug nicht einverstanden zu sein. »Im
Zweifelsfall könnte man dafür sorgen, dass er auch noch
das andere Auge loswird«, erklärte er.
*
»12. Frage: Hakon Ladejarls
Zahngeschenk. 3. Buchstabe.
Hakon wurde so zügellos in
Frauenangelegenheiten, dass er sich an allen Frauen vergriff, ob
Mütter oder Schwestern, Jungfrauen oder verheiratete Frauen.
Und auch in vielen anderen Dingen wurde er immer grausamer seinen
Untergebenen gegenüber, deswegen bekam er den Beinamen Hakon
der Böse, der ihm seitdem anhing. Die Bauern sammelten Truppen
und zogen gegen den Jarl zu Felde. Er entkam ihnen und
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