Das Raetsel von Flatey
Tang. Valdi
wich den Kühen aus, die die Straße entlangtrotteten, und
stellte dann die Schubkarre ab, als die Männer sich
trafen.
»Gemeindevorsteher«,
sagte Valdi und holte seine Pfeife hervor.
»Ja, mein lieber Valdi?«,
antwortete Grímur und blieb stehen.
»Also ich kann mich jetzt
erinnern, warum ich nichts in mein Heft eingetragen habe, als das
Postschiff letztes Jahr am vierten September nach
Stykkishólmur fuhr. Und daran hättest du dich auch
erinnern sollen, verehrter
Gemeindevorsteher.«
»Ich?
Wieso?«
»Tja, an dem Tag bin ich
nämlich mit dem Postschiff nach Brjánslækur
gefahren, um meine Hulda zu treffen. Deswegen war ich gar nicht auf
der Insel, als das Schiff auf dem Rückweg wieder dort anlegte.
Ich hatte Vater darum gebeten, aufzupassen, wer mit dem Schiff kam
und ging, aber er hat das natürlich vergessen und gar nichts
aufgeschrieben.«
»Oje«, sagte
Grímur. »Aber warum hätte ich mich daran erinnern
sollen, mein lieber Valdi, dass du zum Festland gefahren
bist?«
Valdi zündete sich die Pfeife
mit einem Streichholz an und antwortete: »Als ich
zurückkam, eine Woche später, hatte man mir den ganzen
Treibstoff aus dem Boot gestohlen. Ich habe das angezeigt,
erinnerst du dich nicht?«
»Doch«, Grímur
blickte Kjartan entschuldigend an. »Jetzt erinnere ich mich.
Ich habe auch nicht sehr viel Erfolg dabei gehabt, den Dieb zu
finden.«
Valdi steckte sein Buch wieder in die
Tasche, packte die Schubkarre und marschierte los, ohne sich zu
verabschieden, die qualmende Pfeife zwischen den Zähnen. Der
kleine Nonni und Jón Ferdinand hielten sich an der Hand und
zogen hinterher.
»Oje, warum haben es denn alle
immer so eilig«, hörten sie den Alten
murmeln.
Als die drei sich ein Stück
entfernt hatten, sagte Grímur: »Das waren wirklich
ereignisreiche Tage. Valdi ging aufs Festland, um seine Frau Hulda,
die bei der Straßenbaukolonne ist, abzuholen, aber sie
weigerte sich rundheraus, mit ihm nach Hause zu kommen. Sie
hält diese armselige Wirtschaft nicht mehr aus. Es war
für sie noch einigermaßen erträglich, solange
Valdis alte Mutter noch am Leben war. Eine liebenswürdige
Frau, die gut zu allen war. Aber als sie starb, verwandelten sich
Vater und Sohn so halbwegs in Trolle. Einer jungen Frau ist so was
kaum zuzumuten. Bei Valdi stand deswegen das Barometer auf Sturm,
als er ohne Frau zurückkehren musste, und er hat sich mit
allen angelegt. Zum Schluss bekam er dann noch Schnaps in die
Finger und war tagelang stockbesoffen. Ehrlich gesagt habe ich das
Verschwinden des Treibstoffs nicht so ernst genommen, aber bei ihm
sitzt es augenscheinlich
tief.«
»Was machen die denn eigentlich
mit diesem Schafskadaver?«, fragte Kjartan.
Grímur antwortete:
»Sigurbjörn in Svalbard hat am Montag, als Springflut
war, dieses Schaf und zwei Lämmer auf einer Schäre
verloren. Heute Morgen ist das Tier dann im Sund angetrieben, habe
ich gehört. Es ist ein großer Nachteil der
Inselwirtschaft, dass so viele Schafe dem Meer zum Opfer fallen.
Vor vielen Jahren sind mal hundert Schafe bei einer Springflut
umgekommen. Das war ein Riesenschaden für die kleinen
Bauern.«
»Aber was machen sie denn
damit?«, fragte Kjartan wieder und blickte sich über die
Schulter nach den Männern von Endenkate um.
»Sie durften sich das Tier
holen, um Meerpastete daraus zu machen.«
Kjartan war sich nicht sicher, ob er
richtig gehört hatte.
»Meerpastete?«
»Ja. Sie kochen Fleisch und
Flomen und machen Pastete draus. Das Fleisch ist natürlich
ganz schön salzig und mürbe geworden, nachdem es im Meer
herumgetrieben ist, aber kann ganz ordentlich schmecken. Es gibt
bloß nicht viele, die für so eine Arbeit zu haben sind.
Aber die Männer von Endenkate können’s
brauchen.«
*
»13. Frage. Auseinander
geschnitten von einem Steven. Zweiter Buchstabe.
Im Abschnitt über Sörli
wird berichtet, wie der Königssohn Hedinn unter einem
Zauberbann stand. In dieser Verblendung ließ er Hervör,
die Gemahlin von König Högni, ergreifen und vor den
Schiffsbug binden, als es zu Wasser gelassen wurde, und dadurch
wurde sie entzweigeschnitten. Daraufhin trugen Hedinn und
Högni einen Zweikampf aus. Es heißt, dass so viel
verderbliche Kraft in dem Zauber war, dass sie, selbst wenn sie
sich gegenseitig den Kopf bis auf die Schultern gespalten hatten,
immer wieder heil aufstanden und weiter kämpften. So ging es
ganze einhundertvierzig und drei Jahre, bis ein Gefolgsmann von
König Olaf
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