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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Zweifel, doch was sie verwirrte, war die Frage, was er von ihnen wollte.
    Diana brachte es nicht über sich, ihrer Tochter von ihrer größten Furcht zu erzählen; sie brauchte mehr Beweise, sagte sie sich – das lag irgendwo zwischen Wahrheit und Lüge. Diemeiste Zeit über weigerte sie sich, auf die hartnäckige Stimme zu hören, die sie zu der Kassette in ihrem Schrank getrieben und sie gezwungen hatte, nach dem kümmerlichen Beweis für den Tod ihres einstigen Mannes zu suchen. Sie redete sich ein, der Inhalt zeuge von harten Fakten, doch das wühlte sie nur noch mehr auf, und sie quälte sich mit widerstreitenden Gefühlen, mit dem Konflikt zwischen dem, was sie glauben wollte, und dem, was sie nicht zu glauben wagte.
    In den Tagen seit dem Vorfall in der Bar war die Mutter in äußeres Schweigen verfallen, während in ihr eine Kakophonie aus schrillen Tönen, Zweifeln und Krankheit wütete.
    Die Tatsache, dass sie ihren einzigen Sohn nicht erreichen konnte, machte die Sache nur schlimmer. Sie hatte in seinem Institut an der Uni eine Reihe von Nachrichten hinterlassen, hatte mit einer schwindelerregend langen Reihe von Sekretärinnen gesprochen, von denen keine wirklich zu wissen schien, wo er war, auch wenn sie alle versicherten, dass er die Nachricht bekommen und prompt zurückrufen würde. Eine ging sogar so weit und versprach ihr, die Nachricht an seine Bürotür zu heften, als könnte das garantieren, dass er sie las.
    Es widerstrebte Diana, noch mehr Druck zu machen, weil das ihrer Bitte eine Dringlichkeit verliehen hätte, die an Panik grenzte, und sie weigerte sich zu diesem Zeitpunkt, einem solchen Gefühl nachzugeben. Sie gab bereitwillig zu, nervös zu sein. Sogar aufgeregt. Ganz gewiss besorgt. Doch Panik war ein ernster Zustand, dem sie, so lange sie konnte, aus dem Weg zu gehen hoffte.
    Bis jetzt ist nichts passiert, womit wir nicht fertig werden können, sagte sie sich.
    Doch trotz dieser forciert optimistischen Haltung stellte sie fest, dass sie weit häufiger als früher nach ihren Medikamenten griff, um sich zu beruhigen, um zu schlafen und um dieSorgen zu überwinden. Und entgegen allen Warnungen des Arztes fing sie an, ihre Narkotika großzügig mit Alkohol zu mischen. Eine Pille gegen die Schmerzen. Eine Pille zur Vermehrung der roten Blutkörperchen in ihrem vergeblichen, mikroskopischen Kampf gegen die Übermacht der weißen Zellen tief in ihrem Körper. Diana machte sich keine Hoffnungen, dass eine Chemotherapie ihr helfen könnte. Außerdem nahm sie Vitamine für die Kraftreserven. Antibiotika, um Infekte zu vermeiden. Sie reihte die Tabletten auf und dachte in historischen Dimensionen: Picketts Attacke. Ein kühner und heldenhafter Vorstoß gegen eine sicher verschanzte, unnachgiebige Armee. Schon vor der Schlacht zum Scheitern verurteilt.
    Diana spülte die ganze Ladung mit Orangensaft und Wodka hinunter. Wenigstens, dachte sie mit schlechtem Gewissen, ist der Orangensaft aus hiesigem Anbau und vermutlich gut für mich.
    Ungefähr zur selben Zeit stellte Susan Clayton fest, dass sie plötzlich zu Vorsichtsmaßnahmen griff, die sie bis dahin verabscheut hatte. In den Tagen nach dem Alptraum in der Bar stieg sie grundsätzlich nicht mehr in einen Fahrstuhl, es sei denn, sie war in Begleitung mehrerer anderer Leute. Sie machte keine Überstunden im Büro. Wenn sie irgendwohin ging, bat sie um Geleitschutz. Sie war umsichtig genug, ihre tägliche Route zu variieren sowie Sicherheit aus Abwechslung und Spontaneität zu schöpfen.
    Das fiel ihr schwer. Sie hielt sich für einen sturen Menschen und keinen spontanen, auch wenn ihre wenigen Freunde auf der Welt ihr vermutlich bescheinigen würden, dass sie sich selbst falsch sah.
    Wenn sie zum Büro und nach Hause fuhr, machte es sich Susan jetzt zur Gewohnheit, urplötzlich zwischen der schnellenund den langsamen Spuren zu wechseln; ein paar Minuten lang fuhr sie mit Tempo hundert, dann fiel sie urplötzlich auf ein Schneckentempo herunter. Sie wechselte ständig zwischen den beiden Extremen – ein Fahrstil, der einen Stalker abschrecken musste, da er sie selbst gehörig frustrierte.
    Sie trug stets eine Handfeuerwaffe bei sich, sogar auch dann, wenn sie abends vom Büro heimgekommen war, im Haus, an einem Knöchelhalfter unter dem Hosenbein versteckt. Ihre Mutter konnte sie damit allerdings nicht täuschen; sie wusste von der Pistole, hielt es aber für klüger, nichts zu erwähnen. Außerdem fand Diana dies unter einem gewissen Aspekt

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