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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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1971«, murmelte Susan. Langsam stieg sie die Stufen zum Hospiz hinunter und ging auf den Mann zu. Lauter und deutlicher erwiderte sie: »Finden Sie nicht, dass Sie sich Ihre Hirngespinste wenigstens selbst ausdenken sollten? Sie wollen doch keine schlechte Kopie sein.«
    Der Irre hatte den Kopf zurückgeworfen. Sein brauner Mantel reichte fast bis zum Boden. Sie sah, dass ein Gürtel aus einem schmutzstarrenden, bunten Lumpen die abgewetzte Hose daran hinderte, herunterzurutschen.
    »Jesus wird uns alle erlösen …«
    »Falls er Zeit hat. Und Lust. Was ich manchmal bezweifle …«
    »Er kommt zu jedem von uns …«
    »Falls er bereit ist, sich die Finger dreckig zu machen.«
    »Gottes Wort in unseren Ohren.«
    »Falls wir Lust haben hinzuhören, worauf ich mich nicht verlassen würde.«
    Plötzlich ließ der Mann die Arme sinken. Sein Kopf neigte sich vor, und Susan sah ein Funkeln in seinen Augen, das sie ganz gewöhnlichem, gutartigem Wahnsinn zuschrieb.
    »Sein Wort ist die Wahrheit. Das hat er mir gesagt.«
    »Freut mich für Sie«, entgegnete Susan, die sich an dem Mann vorbeidrückte, um endlich die Straße zu erreichen.
    »Aber er ist hier!«, brüllte der Irre.
    »Sicher«, sagte Susan über die Schulter. »Aber klar. Jesus hat sich für seine Wiederkunft Miami ausgesucht – perfekte Wahl. Leuchtet mir ein«, kommentierte sie sarkastisch.
    »Aber er ist
tatsächlich
da, und ich soll Ihnen was ausrichten, das nur für Sie bestimmt ist!«
    Susan hatte den Mann schon ein paar Schritte hinter sich gelassen, doch bei seinen letzten Worten blieb sie stehen und drehte sich um. »Für mich?«
    »Ja, ja, ja! Das versuche ich Ihnen doch schon die ganze Zeit zu sagen!« Der Mann grinste, so dass seine verfaulten Zähne zu sehen waren. »Jesus sagt, ich soll Ihnen ausrichten, dass Sie nie allein sein werden und dass er immer da sein wird, um Sie zu retten! Er sagt, dass Sie jahrelang in der schrecklichen Finsternis gewandelt wären, ohne ihn zu kennen, aber das soll sich jetzt ändern, halleluja!«
    Susan hatte das Gefühl, als legte sich plötzlich eine eisige Dunkelheit über sie.
    Are you the man who saved me? – Waren Sie mein Retter?
    What is it that you want? – Was wollen Sie?
    Theme where a navy do amuse? – Thema, wo eine Marine sich amüsiert
?
    Why is tit a tat, now a tut? – Wieso ist Tit-a-tat jetzt ein Tut?
    Zwei verschlüsselte Fragen, von einem Irren beantwortet, der sie zu verfolgen schien. Sie schüttelte den Kopf.
    »Jesus hat Ihnen das gesagt? Wann?«
    »Gerade eben, vor ein paar Minuten. Er ist mir in einem gewaltigen Lichtblitz erschienen. Ich war richtig geblendet, Gott, von der Herrlichkeit seiner Gegenwart, und es hat mir auch Angst gemacht, und ich hab weggesehen, aber er hat dieHand nach mir ausgestreckt, und in der Sekunde spürte ich Frieden, einen wunderbaren, vollkommenen Frieden, und er hat mir eine Aufgabe erteilt und gesagt, sie wäre überaus wichtig und es würde seine Wiederkunft auf der Erde leichter machen. Helfen, den Weg zu bereiten, hat er gesagt. Er hat mich hierher mitgenommen und mir dann aufgetragen, sein Sprachrohr zu sein. Dann hat er mir auch etwas Geld gegeben. Zwanzig Mäuse!«
    »Was hat er Ihnen gesagt?«
    »Er hat gesagt, ich soll eins seiner Kinder finden, das ihm besonders am Herzen liegt, um ihm zwei Fragen zu beantworten.«
    Susan hörte, wie ihr die Stimme zitterte. Sie hätte schreien mögen, doch ihre Worte kamen eher im Flüsterton heraus, atemlos, von der Hitze des Tages verdunstet: »Hat er noch etwas gesagt? Noch irgendetwas anderes?«
    »Ja, das hat er!« Der Irre schlang vor unbändiger Freude die Arme um seinen Leib. »Er hat mich hier auf Erden zu seinem Boten gemacht! Welch eine Freude!« Der Mann schlurfte mit den Füßen über den Boden, als wollte er ein Tänzchen hinlegen.
    Susan musste an sich halten. »Und wie lautete seine Botschaft? Das, was Sie mir ausrichten sollten?«
    »Ach, Susan«, seufzte der Mann, und diesmal hatte sie sich auf keinen Fall verhört. »Manchmal sind seine Botschaften seltsam und geheimnisvoll.«
    »Trotzdem, was hat er gesagt?«
    Der Irre beruhigte sich und neigte den Kopf wieder nach vorn, als dächte er angestrengt nach. »Ich hab’s nicht verstanden, aber ich musste es ihm immer wieder nachsprechen, bis ich es konnte.«
    »Was?« Nur mit größter Mühe konnte sie die Panik unterdrücken.
    »Ich soll Ihnen sagen: ›Ich will zurück, was mir gestohlen wurde.‹«
    Der Irre schwieg einen Moment und bewegte nur

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