Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
stumm die Lippen. »Ja«, meinte er dann und lächelte wieder. »Ich hab’s richtig behalten. Ich bin mir sicher. Wäre mir nicht recht, wenn ich es durcheinandergebracht hätte. Dann würde er mich vielleicht nicht wieder erwählen.«
    »Noch was?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
    »Was wollen wir mehr?«, erwiderte der Irre mit einem freudigen wiehernden Lachen. Er drehte sich um und lief halb stolpernd, halb hüpfend wie ein Kind die Straße entlang zur Bucht mit ihrem satinblauen Wasser. Lauthals rühmte er in einer selbst erfundenen Hymne die Wiederkunft eines Mannes, von dem er glaubte, er käme vom Himmel, und von dem Susan glaubte, dass er von einem entschieden unfreundlicheren Ort entstiegen sei. Sie hätte sich gerne hingesetzt, um in Ruhe gründlich über alles nachzudenken, was sie gehört hatte, doch sie stellte fest, dass sie stattdessen mit eiligen Schritten loslief. Als sie fast joggte, schaute sie sich noch einmal nach dem Mann um, aber die Straße war plötzlich leer. In der anderen Richtung sah sie in einiger Ent fernung den normalen Verkehr, Polizei und Passanten. Sie schnappte nach der überhitzten Luft und rannte der trügerischen Sicherheit der anonymen Menge entgegen.

16. KAPITEL
Der Mann, der die Lüge verbarg
     
    Als sie die Stimme ihres Sohnes am Telefon hörte, durchfuhren Diana Clayton gleichzeitig Angst- und Freudenschauer. Wie jede andere Mutter freute sie sich, von ihrem allzu fernen Kind zu hören. Die Angst war komplizierter. Sie merkte, dass alte, lang verdrängte Befürchtungen in ihrem Innern wie Samen platzten, um aufzukeimen. Diese Angst wurzelte in der Erkenntnis, dass ihrem Leben, so wie es all die Jahre verlaufen war, ein Fehler anhaftete und dass ihnen eine große Veränderung bevorstand.
    »Mutter?«, fragte Jeffrey.
    »Jeffrey«, seufzte sie, »Gott sei Dank. Ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Ich hab ständig Nachrichten bei dir im Büro hinterlassen und auch auf deinem Anrufbeantworter. Hast du sie denn nicht abgehört?«
    »Nein, keine einzige.«
    Jeffrey ließ die seltsame Tatsache in sein Bewusstsein sinken und kam dann zu dem Schluss, dass dies für die Effizienz der Sicherheitskräfte des Einundfünfzigsten Staates sprach. Er verband das Telefon mit dem Computer, und Sekunden später erschien das Gesicht seiner Mutter vor ihm auf dem Bildschirm.Er fand, dass sie ausgezehrt und abgespannt wirkte. Ihm wurde bewusst, dass sie seine Reaktion sehen konnte, denn sie sagte: »Ich habe abgenommen. Ist unvermeidlich. Sonst geht’s mir gut.«
    Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Du siehst gut aus.« Beide ließen es bei der kleinen Lüge bewenden.
    »Hast du große Schmerzen? Was sagen die Ärzte?«
    »Ach, zum Teufel mit den Ärzten. Die haben keine Ahnung«, erwiderte Diana. »Was macht es schon, wenn’s ein bisschen zwackt? Es ist nicht schlimmer als damals, wo ich mir das Bein gebrochen habe. Als ich von dem verdammten Dach gefallen bin. Du warst vierzehn, weißt du noch?«
    Er wusste es noch. Das Dach hatte ein Leck bekommen, und sie war mit einem Eimer Teer hinaufgeklettert, um es zu reparieren, war ausgerutscht und heruntergefallen. Sie war nur ein einziges Stockwerk tief gefallen, doch es hätte schlimmer enden können als mit einem Bruch und blauen Flecken. Obwohl es bis zu seinem Führerschein noch zwei Jahre waren, hatte er sie in die Notaufnahme im Krankenhaus gefahren.
    »Natürlich erinnere ich mich. Weißt du noch, wie der Arzt geguckt hat, nachdem er dir den Gips angelegt hat und dich gefragt hat, wie du nach Hause kommst, und ich die Autoschlüssel in der Hand hielt?«
    Mutter und Sohn lachten bei der gemeinsamen Erinnerung. »Wahrscheinlich hat er gedacht, wir schaffen es nicht mal um den nächsten Block, bis wir einen Unfall bauen und wieder bei ihm landen.«
    Diana Clayton lächelte und nickte. »Du warst schon immer ein guter Fahrer«, meinte sie.
    Jeffrey schüttelte den Kopf. »Sicher und verlässlich. Der personifizierte Langweiler. Und nicht so gut wie Susan. Die kann wirklich mit Maschinen umgehen.«
    »Aber sie fährt zu schnell.«
    »Passt zu ihr.«
    Diana nickte wieder. »Du hast recht. Ihre Geduld wird ständig allzu sehr auf die Probe gestellt. Sie muss immer umsichtig sein, bedächtig und genau. Ich denke, das geht ihr gründlich auf die Nerven. Deshalb gibt sie ab und zu ein bisschen Gas. Ist mal was anderes.«
    Jeffrey sagte nichts. Er betrachtete das Gesicht seiner Mutter auf dem

Weitere Kostenlose Bücher