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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Bretterwand finden würde, die anschließend übermalt worden waren. Kerben, die Fingernägel vielleicht aus Verzweiflung und Panik hinterlassen würden. Er glaubte nicht, dass die Farbe einer professionellen Untersuchung durch einen Forensiker standhalten würde; zweifellos würden sich mikroskopisch kleine Partikel eines Opfers darin befinden, das hier zurückgelassen worden war. Doch vor fünfundzwanzig Jahren hatte Agent Martin nicht genügend Beweismaterial zusammentragen können, um selbst vom verständnisvollsten Richter einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken. Jahrzehnte später entdeckte der Kammerjäger den Raum bei seiner Suche nach einer Ungezieferseuche, ohne zu ahnen, dass er eine Verseuchung ganz anderen Ausmaßes aufgedeckt hatte.
    Jeffrey hätte nicht sagen können, ob die Staatspolizei New Jersey auch nur halb so clever gewesen wäre. Er bezweifelte es. Er glaubte nicht, dass sie auch nur die geringste Vorstellung hatte, wonach sie suchte.
    Jeffrey ging in die Hocke und strich mit dem Finger über den kalten Zementboden. In diesem Licht konnte er keine Flecken erkennen. Der ganze Raum hätte voller Blut und anderer Rückstände des Todes sein müssen. Jeffrey beantwortete sich die Frage selbst: Plastikfolie. In jedem Haushaltswarengeschäft zu bekommen. Auf jeder Mülldeponie leicht zu entsorgen. Er schnüffelte angestrengt, ob noch irgendein verräterischer Geruch nach Reinigungsmitteln in der Luft hing, doch nichts hatte die Jahrzehnte überdauert.
    Er drehte sich langsam um und ließ den winzigen Raum aufsich wirken. Nicht viel dran, dachte er. Dann wurde ihm klar, dass es nicht anders zu erwarten gewesen war.
    Während er dort kniete, erinnerte er sich an die Stimme seines Vaters, wie er ihm an irgendeinem ruhigen, spannungsgeladenen Abend am Esstisch sagte, er solle sein Gedeck mit zum Küchenbecken nehmen, es unter den Wasserhahn halten und in den Geschirrspüler stecken.
Immer schön sauber machen, wenn du fertig bist.
Die Mahnung, die alle Kinder von ihren Eltern bekommen.
    Für seinen Vater bedeutete die Botschaft allerdings viel mehr. Der Professor stand auf. Das, was er gesehen hatte, ließ keine Rückschlüsse darauf zu, ob der winzige Raum Zeuge nur eines Horrorszenarios geworden war oder von hundert. Er vermutete Ersteres, ohne Letzteres ausschließen zu können.
    Ihm kam plötzlich eine Idee, und er wusste den Namen des Mannes, der ihm – abgesehen von seinem Vater – diese Frage vielleicht beantworten konnte.
    Beim Verlassen der Folterkammer überkam Jeffrey plötzlich eine eisige Kälte, wie kurz vor einem Anfall von Schüttelfrost, dann ein Krampf in der Magengegend wie der Vorbote von Brechreiz.
    Ihm wurde klar, dass er in einem sehr kleinen Raum viel dazugelernt hatte, und er hasste sich aus tiefstem Herzen dafür, dass er es bis ins letzte Detail verstehen konnte.
     
    Das Archiv der
Trenton Times
hatte wenig Ähnlichkeit mit dem modernen, computerisierten Büro der
New Washington Post
. Es war in einem beengten Nebenzimmer notdürftig untergebracht, nicht allzu weit von dem höhlenartigen Raum mit niedriger Decke voller Stahlschreibtische und wackeliger Stühle, in dem die Redaktion arbeitete. Nur eine entfernte Wand verfügte über Fenster, deren Scheiben allerdings untereiner dicken Schicht von grauem Schmutz verschwanden und für ein dauerhaftes abendliches Dämmerlicht sorgten. Das Archiv war vollgestellt mit Aktenschränken aus Metall und zusätzlich mit zwei älteren Computermodellen und einem Mikrofilmgerät ausgestattet. Ein junger Mann, dessen Wangen von einem schweren Aknebefall gezeichnet waren, legte, ohne ein Wort zu verlieren, den uralten Film für Jeffrey ein.
    Der Professor las den Artikel der Zeitung über den Mord an der jungen Frau an der St. Thomas More Academy und fand genau, womit er gerechnet hatte: reißerische Details über die Entdeckung der Leiche im Wald, allerdings ohne Erkenntnisse, die das Team der Spurensuche zusammengetragen hatte. Es folgten die obligatorischen Zitate der Polizisten, darunter auch des jungen Detective Martin, über die Vernehmungen einiger Tatverdächtiger sowie eine Reihe vielversprechender Spuren, denen jetzt nachgegangen werde – der übliche Euphemismus, wenn die Polizei auf der Stelle trat. Der Name seines Vaters kam nicht vor. Es folgte ein dürftiges Porträt des Opfers in der Art einer Schülerzeitung sowie die ganz und gar vorhersagbaren Bemerkungen ihrer Mitstudenten, sie sei ein stilles Mädchen gewesen, das niemand

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