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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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in zügigem Tempo an den verschlafenen Wohngebieten vorbei. Den wenigen Fahrzeugen, die ihn überholten oder deren Scheinwerfer in seinem Rückspiegel aufblitzten, schenkte er wenig Beachtung. Er schätzte, dass ihm noch gut anderthalb Stunden bis Tagesanbruch blieben, und so fuhr er erst einmal gemächlich an der Abzweigung vorbei, die zu der Sackgasse der Claytons führte.
    Er hatte das Haus mit Sorgfalt gewählt. Der Staat besaß in verschiedenen Gegenden eine Reihe von Häusern, die allerdings nicht alle im selben Maße verwanzt waren wie dieses. Und nicht alle lagen derart günstig. Der steile Abhang an der Rückseite des Viertels, der hohe Zaun am Rand des Grabens, der praktisch ausschloss, dass sich irgendjemand von dieser Seite näherte. Agent Martin bezweifelte, dass der Gesuchte diese Route wählen würde, denn das erforderte eine athletische Kraft, die er dem älteren Mann kaum zutraute. Außerdem schien dies nicht sein Stil zu sein; Jeffreys Vater war nicht die Sorte Mörder, die ihre Opfer überwältigen; er war eher der Typ, der sie austrickste und verführte, so dass sie viel zu spät begriffen, dass der Mann, in dessen Augen sie blickten, ihnen das größte Leid zufügen wollte.
    Martin fuhr noch ein, zwei Minuten und gelangte in die ersten Ausläufer der Berge. Beinahe hätte er den unbefestigten Weg verpasst, nach dem er suchte, und musste fest auf die Bremse treten und das Lenkrad herumwerfen, um noch abbiegen zu können. Der nicht gekennzeichnete Streifenwagen holperte über das lose Geröll und wirbelte hinter sich eine braune Staubwolke auf, bevor er in der Nacht verschwand.
    Die Straße war voller Schlaglöcher und Furchen, die der Regen gegraben hatte, und der Detective fuhr langsamer und fluchend, als er sah, wie seine Scheinwerfer hüpften. Ein Hase rettete sich vor ihm ins Gebüsch, und zwei Rehe erstarrten einen Moment lang im Licht, so dass die Augen rot leuchteten, bevor die Tiere plötzlich in großen Sätzen die Flucht ergriffen.
    Er glaubte kaum, dass viele von dieser Straße wussten, und schätzte, dass in den letzten Jahren nur wenige hier entlanggefahren waren. Vogelkundler und Wanderer vielleicht. Radler mit Mountainbikes oder Naturfreunde mit Allradantrieb, die es am Wochenende hierher verschlug. Es gab hier wenig Lohnendes. Ein Feldvermessungsteam hatte den Weg für ein neues Bauvorhaben inspiziert, das Gelände aber als schlecht geeignet eingestuft. Ziemlich schwierig, Wasser und Baumaterial die Hänge hoch zu bekommen, und die Aussicht war nicht so spektakulär, dass sie die Mühe lohnte.
    Die Reifen knirschten, als der Agent auf der sandigen Erde bremste. Er schaltete den Motor aus und blieb eine Weile sitzen, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Auf dem Beifahrersitz hatte Martin zwei Ferngläser: ein normales für die Zeit nach Sonnenaufgang und ein größeres, unhandlicheres Nachtsichtgerät in olivgrüner Tarnfarbe aus Militärbeständen. Er hängte sich beide um. Dann nahm er eine kleine Taschenlampe, die einen rötlichen Nachtstrahl aussandte, eine Schultertasche mit Butterteiggebäck sowie einer Thermosflasche mit schwarzem Kaffee und zog los.
    Er schwenkte mit der Taschenlampe quer über den Pfad, um nicht auf eine schlafende Klapperschlange zu treten. Die Stelle, zu der er wollte, war nur hundert Meter von seinem Auto entfernt, doch das Gelände war beschwerlich, voller Felsgestein und lockerem Schiefersand, worauf man so leicht ausrutschenkonnte wie auf dem Eis eines gefrorenen Sees. Er stolperte mehr als einmal, hielt sich mühsam aufrecht und stapfte weiter.
    Martin brauchte fast eine Viertelstunde, um die Strecke zurückzulegen. Doch seine Belohnung lag vor ihm, als er das Ende des Trampelpfades erreichte. Er stand am Rand einer ansehnlichen Klippe, mit Blick über das Schwimmbad und die Tennisplätze. Von dieser Stelle aus hatte er einen ungehinderten Blick über die gesamte Häuserreihe. Vor allem aber lag das letzte Haus in seiner Schusslinie. Aus dieser Höhe konnte er sogar einen Teil der Terrasse sehen.
    Martin lehnte sich an die Kante eines großen, flachen Findlings und setzte das Nachtsichtgerät an die Augen. Er suchte die ganze Gegend ab, sah jedoch nichts, was sich auf der Straße bewegte. Er ließ das Fernglas sinken, schraubte die Thermosflasche auf und goss sich einen Becher Kaffee ein. Die Flüssigkeit vermengte sich mit der Dunkelheit; es war, als schlürfte er ein wenig von der Nacht, nur dass sie ihm heiß den Schlund

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