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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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die Zündung ein.
    »So eilig, Detective?«, fragte eine Stimme leise hinter seinem rechten Ohr.
    Robert Martin schrie auf, fast kreischend schrill und unartikuliert, kein Wort, sondern nur ein Laut, der absolute Angst zum Ausdruck brachte. Sein Körper spannte sich mit einem heftigen Ruck wie ein Seil, mit dem ein Boot an den Strand gezogen wird, während eine starke Böe und Wellen den Rumpf wieder ins Wasser ziehen. Er konnte die Gestalt, die sich hinter ihm erhoben hatte, nicht sehen, doch in der aufwallenden Panik, die ihn in dieser Sekunde überlief, wusste er, wer es war, und er ließ die Autoschlüssel fallen, um nach seiner Automatik zu greifen.
    Seine Hand war auf halber Distanz zum Holster, als der Mann sich wieder meldete: »Sie sind tot, sobald Sie Ihre Waffe auch nur berühren.«
    Bei dem nüchtern kalten Ton hielt seine Hand sofort inne und schwebte vor ihm in der Luft. Erst da wurde ihm die Klinge an seiner Kehle bewusst.
    Der Mann meldete sich erneut, als wollte er eine Frage beantworten, die gar nicht gestellt worden war: »Es ist ein altmodisches Rasiermesser mit gerader Klinge und einem echten, geschnitzten Elfenbeingriff, Detective, das ich vor nicht allzu langer Zeit nicht eben billig in einem Antiquitätengeschäft erstanden habe, auch wenn ich bezweifle, dass der Händler ahnte, wozu es gedacht war. Eine bemerkenswerte Waffe, wissen Sie. Klein und handlich. Und scharf. Tatsächlich sehr scharf. Es wird Ihre Halsschlagader mit einer kleinen Drehung meines Handgelenks durchschneiden, was, wie ich mir habe sagen lassen, eine unangenehme Art zu sterben ist. Es ist eine Waffe, die interessante Möglichkeiten bietet. Sie steht für jahrhundertealtes Können. Jahrzehntelang nicht weiterentwickelt. Nichts Neues dabei, außer dem Schlitz, den sie in Ihrem Hals hinterlassen wird. Sie müssen sich also fragen: Möchte ich so sterben? Hier und jetzt? Nachdem ich so weit gekommen bin? Ohne Antworten auf meine Fragen zu erhalten?«
    Der Mann schwieg.
    »Und, möchten Sie das, Detective?«
    Robert Martin schürzte die trockenen Lippen und sagte heiser: »Nein.«
    »Gut«, meinte der Mann. »Und jetzt keine Bewegung, während ich mir Ihre Waffe nehme.«
    Martin spürte, wie der Mann die freie Hand um seine Brust wand und nach der Automatik griff. Dabei rührte sich diekalte Klinge nicht von seinem Hals. Der Mann brauchte einen Moment, um die Pistole aus Martins Holster zu ziehen. Der Detective blickte in den Rückspiegel, um einen Blick auf den Mann zu erhaschen, doch der Spiegel war verdreht. Er versuchte, seine Größe abzuschätzen, doch er sah rein gar nichts. Er hörte nur diese Stimme, die ruhig und gelassen durch die frühe Morgendämmerung drang.
    »Wer sind Sie?«, wollte Martin wissen.
    Der Mann lachte auf. »Wie das alte Kinderspiel, bei dem man zwanzig Fragen hat. Bist du Stein, Pflanze oder Tier? Bist du größer als ein Brotkasten? Kleiner als ein Kombi? Detective, Sie sollten mir Fragen stellen, deren Antworten Sie nicht schon kennen. Wie auch immer, ich bin der Mann, den Sie seit Monaten jagen. Und jetzt haben Sie mich gefunden. Wenn auch nicht ganz so, wie Sie es sich vorgestellt hatten.«
    Martin versuchte, sich zu entspannen. Er wollte mit aller Macht das Gesicht des Mannes hinter sich sehen, doch die kleinste Regung verstärkte den Druck der Klinge an seinem Hals.
    Er ließ die Hände in den Schoß sinken, doch der Abstand zwischen seinen Fingern und dem Ersatzrevolver in seinem Knöchelholster schien unüberbrückbar.
    »Woher wussten Sie, dass ich hier bin?«, krächzte Martin.
    »Meinen Sie, ich wäre mit Dummheit so weit gekommen, Detective?«, beantwortete die Stimme eine Frage mit einer Gegenfrage.
    »Nein«, erwiderte Martin.
    »Na schön. Woher wusste ich, dass Sie hier sind? Es gibt zwei Antworten auf diese Frage. Die erste ist einfach: Weil ich nicht weit weg war, als Sie meine Tochter und meine Frau am Flughafen abgeholt haben, und ich bin Ihnen auch bei Ihrer gemütlichen Fahrt durch unsere schöne Stadt gefolgt; ich wussteebenfalls, dass Sie die beiden nicht allein auf mich warten lassen würden. War es unter dieser Voraussetzung nicht viel sinnvoller zu beobachten, welche Schritte Sie als Nächstes unternehmen würden, statt die beiden zu verfolgen? Natürlich habe ich nicht mit so viel Glück gerechnet. Ich hätte nie gedacht, dass Sie mich aus freien Stücken an einem Ort empfangen würden, wie ich ihn nicht besser hätte finden können. Einsam, entlegen, still, wohin sich

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