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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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sich langsam auf den einsamen, steilen Weg.
     
    Der Todestrakt in Texas hatte wie in den meisten Staaten nichts von einem Trakt. Der Name war geblieben, doch der Ort hatte sich verändert. Der Staat hatte ein Gefängnis gebaut,das dem einzigen Zweck diente, Gewaltverbrecher zu töten. Es lag auf einem flachen Ranch-Gelände, fern von jeder Stadt und war nur durch eine einzige zweispurige Asphaltstraße, die sich durch die Ebene zog, mit dem Rest der Welt verbunden. Das Gefängnis selbst war ein ultramoderner Bau hinter drei getrennten Maschen- und Natodrahtzäunen. Die Institution ähnelte einem riesigen Schlafsaal oder kleinen Hotel, nur dass sämtliche Fenster nicht mehr als Schlitze in den Betonwänden von kaum fünfzehn Zentimetern Breite waren. Es gab einen Bereich für körperliche Ertüchtigung und eine Bibliothek, mehrere hoch gesicherte Aufenthaltsräume sowie ein Dutzend Zellenreihen, zwanzig in jedem Block. Alle waren belegt. Alle grenzten an einen zentralen Raum, der auf den ersten Blick an ein Krankenhauszimmer erinnerte, ohne es zu sein. Dort stand eine Liege mit Fesseln und eine Tötungsapparatur.
    Der Mann, der hier exekutiert werden sollte, wurde an Armen und Beinen auf die Bahre geschnallt, und ein intravenös eingeführter Schlauch führte von der Arterie in seinem linken Arm über den Boden zu einem Kasten in der Wand. Darin befanden sich drei Behälter, die alle Flüssigkeiten in den Schlauch abgaben. Nur einer enthielt die tödliche Substanz. Drei Beamte drückten jeweils auf ein Zeichen des Gefängniswärters hin auf je einen Knopf, um die Mixturen gleichzeitig abzugeben. Die Methode folgte derselben Theorie wie ein Exekutionskommando, bei dem ein Mann eine Platzpatrone bekam. Auf diese Weise wusste niemand mit Sicherheit, ob er das Gift gespritzt hatte.
    Außerdem hatte man die todbringenden Mittel verbessert, die Wirkung beschleunigt. Augen schließen und von hundert rückwärts bis eins zählen. Tot, gewöhnlich schon bei sechsundneunzig. Gelegentlich schaffte es ein fülliger Delinquentbis vierundneunzig. Noch niemand hatte zweiundneunzig überlebt.
    Innen war das Gefängnis genauso modern; jeder Winkel wurde von Kameras mit geschlossenem Stromkreis überwacht. Das Ganze wirkte hochpoliert und antiseptisch sauber; es war, als beträte man eine Welt, die den Natodraht der Zäune imitierte: effizient, blitzblank und tödlich.
    Jeffrey Clayton und seine Schwester wurden von einem Gefängniswärter in eins der Vernehmungszimmer geführt. Auf jeder Seite des Metalltischs befanden sich zwei Stühle. Sonst nichts. Alles war im Boden verankert. Auf einer Seite des Tischs gab es außerdem einen Stahlring, der an der Platte befestigt war.
    Jeffrey machte, während sie warteten, nur eine Bemerkung: »Er ist intelligent, sogar sehr. Näher an hochintelligent als am Durchschnitt. Er hat die Schule in der achten Klasse geschmissen, weil er von anderen Kindern wegen seiner deformierten Genitalien gehänselt wurde. Zehn Jahre lang hat er dann nichts weiter gemacht als zu lesen. Dann folgten weitere zehn, in denen er nichts anderes tat als zu töten. Unterschätz ihn nicht, keine Sekunde lang.«
    Mit einem elektronischen Geräusch öffnete sich eine Nebentür, und ein Wärter brachte einen frettchenartigen Mann mit tätowierten Armen und einem Büschel weißem Haar über den roten Augen in den Raum. Ein Albino. Wortlos befestigte der Wärter die Handschellenkette des Gefangenen an dem Ring im Tisch. Dann richtete er sich auf und sagte: »Ganz zu Ihrer freien Verfügung, Professor.« Der Wärter nickte Susan Clayton zu und ging.
    Der Gefangene trug einen weißen Overall. Er war dünn, mit Hühnerbrust und unverhältnismäßig großen, klauenartigen Pranken, die ein wenig zitterten, als er sich vorbeugte undsich eine Zigarette anzündete. Susan sah, dass er ein Hängelid hatte, während am anderen Auge die Braue hochschoss, als er sie mit wachem Blick musterte.
    Mehrere Sekunden lang starrte er Susan an. Dann wandte er sich an Jeffrey.
    »Hallo, Professor, nie damit gerechnet, Sie wiederzusehen. Wie geht’s dem Bein?« Der Mann hatte eine seltsam hohe Stimme, fast wie ein Kind. Sie vermutete, dass er damit geschickt all seine Wut kaschierte.
    »Es ist schnell verheilt. Sie haben die Arterie nicht getroffen. Und auch keine Bänder.«
    »Das hat man mir auch erzählt. Zu dumm. Ich war in Eile. Hätte ein bisschen mehr Zeit gebraucht.«
    Der Mann lachte schrullig bizarr, indem er einen Mundwinkel zu einem

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