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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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großen Kaliber. In der Linken hielt er einen blutbespritzten Umschlag.
    Sie ging noch ein Stück vor. Der Mann hatte die Augen geöffnet, und sie schnappte laut nach Luft.
    Als sie ihn erkannte, taumelte Diana zurück.
    Wie ein Partybesucher, der merkt, dass er einen zu viel intus hatte, schwankte sie ein wenig, als sie den Rückzug antrat; sie lehnte sich an einen großen Felsen, ohne den Blick von dem Toten zu lassen. Sie brauchte nicht den Brief aus der Tasche zu ziehen, um sich zu erinnern, was darin stand. Ebenso wenig glaubte sie noch, dass der Brief, der ihr einen netten Morgenspaziergang empfahl, von dem Toten stammte.
    Sie wusste, wer ihn geschrieben hatte und wer ihr diesen Ausblick bescherte. Bei dem Gedanken hatte sie einen säuerlichen, bitteren Geschmack im Mund, und sie griff nach der Wasserflasche. Sie nahm einen Schluck, um sich mit der lauen Flüssigkeit die Zunge zu spülen. Er hatte gesagt, der Anblick, der sie erwartete, sei
einmalig
. Und sie räumte ein, dass der Tod vielleicht das Einzige war, das zugleich alltäglich wie einmalig war.

19. KAPITEL
Die Architektur des
Todes
     
    Die Nachmittagsluft war rauh und trocken gewesen, so dass bei Einbruch der Dunkelheit die Temperatur erheblich sank. Die frühabendliche Kälte schlug Jeffrey und Susan Clayton entgegen, als sie zu der Stelle geleitet wurden, an der ihre Mutter an diesem Morgen die Leiche von Agent Martin gefunden hatte. Nach ihrer Landung hatten sie keine näheren Einzelheiten über die Todesumstände erfahren, sondern waren nur unterrichtet worden, es hätte »einen Unfall« gegeben.
    Susan entdeckte die Einfahrt zu ihrem Stadthaus und gab diese Information flüsternd an ihren Bruder weiter. Ein Stück die Straße hinauf, da, wo ihre Mutter in den Donner Boulevard eingebogen war, parkten zwei Streifenwagen der Staatssicherheit. Zwei uniformierte Beamte bewachten den Zugang, hatten jedoch wenig zu tun. Es gab keine Traube aufgeregter oder neugieriger Schaulustiger. Der Agent, der Bruder und Schwester begleitete, wurde schnell durchgewinkt. Er wirkte bedrückt und zurückgezogen und hatte sich auf der gesamten Fahrt vom Flughafen auf kein Gespräch eingelassen. Sein Auto holperte ein paar hundert Meter weit über die buckelige Straße und kam dann schlitternd zum Stehen.
    Ein halbes Dutzend Fahrzeuge stand am Ende des alten Wanderwegsin einem ungeordneten Knäuel. Jeffrey sah dieselben Fahrzeuge der Spurensuche wie am Fundort des letzten Opfers. Er erkannte viele der Beamten wieder, die – offenbar unsicher darüber, worin ihre Aufgabe bestand – etwas planlos hin und her liefen.
    »Ich lass den Wagen hier stehen«, meinte der Agent. »Die brauchen Sie da oben.« Er deutete auf das Treiben geradeaus.
    »Wo ist meine Mutter?«, wollte Susan wissen, und es klang ein wenig wie ein Befehl.
    »Sie ist da oben. Soll eine Aussage machen, aber soweit ich gehört habe, besteht sie darauf zu warten, bis Sie da sind. Scheiße«, entfuhr es dem Agenten. »Bob Martin war ein Freund von mir. Dieser Scheißkerl.«
    Jeffrey und Susan stiegen aus. Jeffrey ging in die Knie, nahm eine Handvoll von dem lockeren Boden auf und ließ ihn sich durch die Finger rieseln wie ein Farmer der Dust-Bowl-Region während der Weltwirtschaftskrise seinen Ruin.
    »Eine schlechte Stelle«, folgerte er. »Trocken und windig. Schlecht für Indizien. Schlecht für Anhaltspunkte.«
    »Ein anderer Ort wäre besser gewesen?«
    »Ein feuchter Ort. Es gibt Leichenfundorte, wo man fast den gesamten Tathergang an der Erde ablesen kann. Die ganze Geschichte. Man lernt, in der Umgebung zu lesen wie in einem Buch. Das hier ist anders. Hier wird alles so schnell ausradiert, wie es geschrieben wird. Verdammt. Komm, suchen wir Mutter.«
    Er entdeckte Diana an einen staatlichen Truck gelehnt, wo sie aus einem Isolierbecher warmen Kaffee trank. Im selben Moment drehte sich Diana Clayton um, sah die beiden kommen und winkte ihnen mit einer Geste zu, in der sich der Ernst der Situation mit der Freude über das Wiedersehen mit Sohn und Tochter mischte. Jeffrey war über ihr Aussehen erstaunt. Erhatte das Gefühl, als sei ihr ganzer Körper durch und durch so bleich wie ihr Gesicht. Ihr Anblick auf dem Monitor hatte nicht so erschreckend vermittelt, wie sehr die Krankheit sie ausgezehrt hatte. Sie schien dünn und zerbrechlich, als würde sie nur noch von Haut und Sehnen zusammengehalten. Er versuchte, seine Irritation zu verbergen, doch Diana bemerkte es sofort.
    »Komm schon, Jeffrey«,

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