Das Rätsel
Wagen zurück. Mit einer leichten Verbeugung und einer Armbewegung machte er Jeffrey Zeichen, mitzukommen.
»Sagen Sie mir, was passiert ist, Professor. Sagen Sie mir genau, was Sie sehen. Und sagen Sie es nur mir.«
Jeffrey ging zur Beifahrerseite des Wagens und öffnete die Tür. Er ließ den Blick schnell, doch gründlich über das Wageninnere schweifen. Er bemerkte die beiden Ferngläser auf dem Sitz. Dann wandte er sich Agent Martins Leiche zu. Er blieb unberührt, als betrachtete er in einer Galerie das Gemälde eines zweitrangigen Malers. Je länger er hinsah und die Leinwand inspizierte, desto klarer traten die Fehler in dem Porträt zutage. Der Körper des Agenten war unter der Wucht des Schusses nach links gesackt. Augen und Mund waren aufgerissen, als könne er den Tod nicht fassen. Die Wunde als solche war gewaltig; ein beträchtlicher Teil des Schädels zertrümmert, wodurch der Ausdruck in dem blutüberströmten Gesicht noch schauriger und grotesker wirkte.
Immer noch über den Sitz gelehnt, sah Jeffrey, dass der Tote in der linken Hand einen Brief hielt, der ebenfalls mit Blut verschmiert und mit zähflüssiger, farbloser Gehirnmasse überzogen war. Die rechte Hand, die mit lockerem Griff die Neun-Millimeter-Pistole hielt, hing schlaff auf den Sitz. Er suchte die Leiche weiter ab, ohne sie zu berühren, und entdeckte den Riss in Martins Hose, unter dem ein aufgeschürftes Knie zum Vorschein kam, das vor seinem Tod geblutet hatte. Er beugte sich weiter hinein und zog das Hosenbein vom Knöchel des Detective zurück. Das flache Wurfmesser, das er an dem Nachmittag ihrer ersten Begegnung getragen hatte, war einer kurzläufigen Pistole Kaliber achtunddreißig gewichen, die in einem ledernen Knöchelholster steckte.
Er ließ das Hosenbein wieder herunter.
Es dürfte nicht allzu viele Menschen geben, die zu ihrem Selbstmord mehr als eine Waffe mitnehmen, dachte er.
Er blickte wieder auf Martins Augen.
War das dein letzter Gedanke? Wie du an die Pistole kommst? Wie du dich wehren kannst? Er schüttelte den Kopf. Du hattest keine Chance.
Durchs Fenster blickte Jeffrey zu Manson hinüber, der von der Todesszene zurückgetreten war. Er sagte nichts, auch wenn er dachte: Jetzt ist also der Killer, der euer Problem lösen sollte, nachdem ich ihm meinen Vater ausgeliefert habe, selbst in einen Hinterhalt getappt und ermordet worden. War nicht ganz so gewieft, nicht ganz so clever, nicht ganz so tödlich, wie ihr vermutet hattet.
Er sah, wie Manson das Gesicht verzog, als wäre ihm im selben Moment der gleiche Gedanke gekommen.
Und jetzt müsst ihr eure ganzen Hoffnungen in jemanden setzen, den ihr nicht unter eurer Kontrolle habt. Das findet ihr wahrscheinlich ziemlich unangenehm, nicht wahr? Allerdings nicht ganz so unangenehm wie die Folgen, die sich ergeben, wenn ich meinen Vater nicht finde. Trotzdem verdrießlich.
Er grinste einen Moment angesichts der Situation.
Jeffrey richtete sich halb auf und untersuchte kurz den Rücksitz, konnte jedoch nichts Auffälliges feststellen, auch wenn er wusste, dass sein Vater, der Mörder, dort gesessen hatte. Er hing der bescheidenen Hoffnung nach, dass sich dort vielleicht mikroskopisch feine Kleiderfasern oder Haarrückstände finden ließen. Womöglich sogar ein Fingerabdruck. Doch er bezweifelte es. Außerdem zweifelte er, dass man ihm – trotz der Bemerkung von Manson – eine vollständige forensische Untersuchung des Autos bewilligen würde.
Jeffrey stand auf und griff in eine Jackentasche, aus der er ein kleines Lederetui mit ein paar Metallwerkzeugen zog. Er nahm eine blitzende Stahlpinzette und lehnte sich über den Beifahrersitz hinweg. Behutsam, aber entschlossen zog er denBrief aus Martins toten Fingern. Ohne ihn zu berühren, las er in schwarzen Bleistiftlettern die Initialen J. C. auf der Vorderseite.
Er wollte den Umschlag gerade öffnen, als er es sich anders überlegte.
Er drehte sich um und winkte seine Schwester heran, die nur zwanzig Meter entfernt stand. Sie sah ihn, nickte und verließ Diana, die immer noch an ihrem Kaffee nippte.
»Was ist das?«, fragte Susan, als sie herüberkam.
Jeffrey sah, dass sie den Blick vom Wagen abwandte. Doch dann beugte sie sich vor und schaute hinein.
Nach einer Weile richtete sie sich auf. »Hässlich«, erklärte sie.
»Er war ein hässlicher Mann.«
»Und hat ein hässliches Ende genommen. Trotzdem …«
»Den hatte er in der Hand. Du kennst dich am besten mit Worten aus. Ich dachte, du solltest
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