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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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hatte etwas Beruhigendes.
    Aus seiner Sicht hatten sie es mit zweierlei Problemen zu tun.
    Als Erstes stellte sich natürlich die Frage, ob der Mann, der in fünfundzwanzig Jahren drei Leichen mit ausgebreiteten Armen an abgeschiedenen Orten hinterlassen hatte, sein Vater war. Jedes Mal, wenn Clayton sich stumm diese Frage stellte, wurde ihm von einer Art emotionaler Trunkenheit fast schwindelig im Kopf. Der pedantische Akademiker in ihm verlangte klare Auskunft: Was weißt du über die Verbrechen? Seine Antwort kam prompt: Lediglich, dass drei Leichen auf so ausgefallene und übereinstimmende Art und Weise zurückgelassen worden waren, dass man mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit von ein und demselben Täter ausgehen musste. Außerdem wusste er, dass sein Ermittlungspartner von dem ersten Mord wie besessen war, nachdem er bei ihm vor fünfundzwanzig Jahren irgendetwas Unausgesprochenes angerichtet hatte.
    Jeffrey gab einen langen Seufzer von sich; es klang, als ob einem erschlaffenden Ballon die Luft entweicht.
    Er hatte das Gefühl, bis zur Halskrause in Fragen zu stecken. Er wusste nur wenig über jenen ersten Mord, wenig darüber, in welcher Beziehung Agent Martin dazu stand, und ebenso wenig darüber, wie sein Vater vielleicht darin verwickelt war. Er hatte Angst davor, auf eine dieser Fragen Antworten zu suchen, und war von der dumpfen Befürchtung, was er zutage fördern mochte, wie gelähmt. Jeffrey merkte, dass er innerlich mit sich im Zwiespalt war und dass die widerstreitenden Bereiche seiner Vorstellungskraft lange Debatten in seinem Innern auslösten und versuchten, zwischen den wildesten Horrorvisionen einen Mittelweg zu finden.
    Er konzentrierte sich auf das Treffen mit den drei Beamten Manson, Starkweather und Bundy. Wenigstens werde ich dafür, dass ich meine Familiengeschichte offenlege, gut bezahlt.
    Die Ironie seiner Situation war schon fast wieder komisch und gleichzeitig auch fast unmöglich.
    Finde einen Mörder. Finde deinen Vater. Oder finde einen Mörder und beweise die Unschuld deines Vaters.
    Er bekam ein flaues Gefühl im Magen.
    Tolles Erbe, das er mir da hinterlassen hat, sagte er sich. Und fügte laut hinzu: »Und nun schreiten wir zur Verlesung des Letzten Willens. Ich vermache meinem verlorenen Sohn mein gesamtes …«
    Mitten im Satz hielt er inne.
Was?
Was hat er mir vermacht? Ohne den Gedanken zu Ende zu führen, starrte er auf die Dokumente, die sich auf seinem Schreibtisch stapelten. Drei Verbrechen. Drei Akten. Ihm schwante, wie ernst sein Dilemma war. Das nächste Problem, mit dem er sich auseinandersetzen musste, war genauso komplex. Unabhängig davon, wer die Verbrechen beging: Wie sollte er es anstellen, den Mann zu finden? Der Wissenschaftler in ihm schrie nach einer systematischen Vorgehensweise. Eine Aufgabenliste, eine Prioritätenliste.
    Das kann ich machen, redete er sich gut zu. Wir müssen einen logischen Plan erstellen, wie der Killer zu fassen ist. Dann kommt es nur noch darauf an, festzustellen, was funktioniert.
    Dann wurde ihm klar: zwei solcher Pläne. Denn seinen Vater zu finden – seinen verstorbenen Vater, der nach Jeffreys bevorzugter Lesart vor einem Vierteljahrhundert schlagartig aus seinem Leben verschwunden und der ohne ihr Wissen und von ihnen getrennt gestorben war – stellte eine andere Nachforschung dar als die Suche nach einem noch unbestimmten Mörder.
    Noch so eine Ironie, dachte er. Für Agent Martin und die Staatssicherheit wäre es bedeutend leichter, wenn tatsächlichmein Vater diese Verbrechen begangen hätte. Er machte sich klar, dass die Staatsvertreter bei jeder Gelegenheit in diese Richtung drängen würden. Schließlich war dies der offensichtliche Grund, ihn dafür einzuspannen. Die andere Möglichkeit – dass es sich ganz einfach um einen neuen, unbekannten und furchteinflößenden Mann handeln könnte – war für sie der schlimmere von zwei Albträumen, denn der große Unbekannte wäre viel, viel schwerer zu fassen und unschädlich zu machen.
    Natürlich wusste er bei beiden, wie man sie stellen konnte – er musste sich nur so intensiv wie möglich mit jedem der Verbrechen vertraut machen, um am Ende den Kriminellen zu verstehen. Konnte er erst den Mörder verstehen, dann konnte er dieses Wissen mit dem erlangten Beweismaterial verknüpfen und sich ein Bild davon machen, in welche Richtung es führte.
    Er begrüßte und fürchtete diesen Vorgang zugleich. Er sah sich durchaus in der Tradition eines verrückten, doch

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