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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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weil diese Bekanntmachung ihr sagte, dass ihre schlimmste Angst – er könnte sie irgendwann finden – nun hinter ihr lag. Doch der große Befreiungsschlag war ausgeblieben. Stattdessen war ein stetig nagender Zweifel nie von ihr gewichen.
    Was immer die Worte ihr sagten – sie erlaubte sich nicht, ganz und gar daran zu glauben.
    Sie legte das Blatt beiseite und wandte sich dem nächsten Dokument zu.
    Das Blatt trug den Briefkopf eines Anwalts einer kleinen Kanzlei in Trenton, New Jersey. Der Adressat war eine Miss Jane Jones mit Postfach in North Miami. Sie war zwei Stunden lang in der prallen Sonne von den Keys gen Norden gefahren, nur um in der größten und geschäftigsten Filiale der Stadt ein Postfach zu mieten, und das einzig und allein, um diesen Brief zu bekommen.
    Sehr geehrte Miss Jones,
mir ist bewusst, dass dies nicht Ihr richtiger Name ist, und normalerweise würde ich zögern, mit einer fiktiven Person zu korrespondieren, doch unter den gegebenen Umständen will ich versuchen, Ihnen zu helfen.
Ihr getrennt lebender Mann Mr. Mitchell hat sich zwei Wochen vor seinem Tod mit mir in Verbindung gesetzt. Eigentümlicherweise hat er mir gestanden, er habe eine Vorahnung, dass er bald sterben würde, weshalb er sicherstellen wolle, dass seine bescheidenen Angelegenheiten geregelt seien. Ich setzte ein Testament für ihn auf. Er vermachte eine bedeutende Büchersammlung einer örtlichen Bibliothek, während der Erlös aus dem Verkauf seines übrigen Eigentums an eine Kirchengemeinde sowie den lokalen Kammermusikverein gingen. Er hatte ein paar bescheidene Wertpapiere sowie Ersparnisse.
Er ließ mich wissen, dass Sie sich möglicherweise irgendwann an mich wenden würden, um Auskunft über seinen Tod einzuholen, und er hat mich ermächtigt, Ihnen zu eröffnen, was ich über sein Ableben weiß, wie auch eine zusätzliche Erklärung abzugeben.
So viel habe ich über seinen Tod erfahren: Er wurde aus dem Leben gerissen. Er starb spätnachts bei einem Zusammenstoßmit einem anderen Fahrzeug. Beide fuhren mit überhöhter Geschwindigkeit und prallten frontal zusammen. Die Opfer konnten nur mit Hilfe ihres Dentalstatus identifiziert werden. Die Polizei in der kleinen Stadt in Maryland, in der sich dieser Unfall ereignete, kam aufgrund von Zeugenaussagen Überlebender zu dem Schluss, dass Ihr Mann sein Fahrzeug genau in Fahrtrichtung des heranbrausenden Sattelschleppers gelenkt hat. Sein Tod wurde folglich als Selbstmord am Steuer registriert.
Mr. Mitchells sterbliche Überreste wurden eingeäschert und auf dem Woodlawn Cemetery bestattet. Er hatte keine Vorkehrungen für einen Grabstein getroffen, sondern nur für eine kleine Beisetzung.
Soweit ich unterrichtet bin, hat niemand an der Trauerfeier teilgenommen. Er sagte, er habe keine weiteren lebenden Verwandten und keine wirklichen Freunde.
In unseren wenigen Gesprächen erwähnte er nie, dass er Kinder habe, und traf keinerlei Vorkehrungen, ihnen etwas zu hinterlassen.
Die Erklärung, die ich für den Fall an Sie weitergeben sollte, dass Sie je mit dieser Kanzlei Kontakt aufnehmen, war, seinem Wortlaut nach, sein Geschenk an Sie. Diese Erklärung lautet: »In guten wie in schlechten Tagen, in Reichtum und Armut, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet.«
Es tut mir leid, wenn ich Ihnen mit keinen weiteren Auskünften dienen kann.
    Der Anwalt hatte mit einem Schnörkel unterzeichnet:
H. Kenneth Smith
. Sie hätte ihn damals am liebsten angerufen, denn sie hatte das Gefühl, dass der Brief mehr Fragen offenließ als es Antworten gab, doch sie hatte der Versuchung widerstanden. Stattdessen hatte sie, nachdem sie den Briefgelesen hatte, sofort ihr Postfach geschlossen und keine Nachsendeadresse hinterlassen.
    Jetzt legte sie den Brief neben den Nachruf der St. Thomas More Academy und starrte die beiden Dokumente an.
    Sie erinnerte sich, dass ihr die Kinder bei ihrer Ankunft in Südflorida noch wie Babys erschienen waren. Das hatte sie gehofft; sie hatte sich sehnlichst gewünscht, in ihren Köpfen jede Erinnerung an ihr Leben in dem Haus in New Jersey ein für alle Male zu tilgen. Sie hatte bewusst dafür gesorgt, dass hier alles anders war – die Kleider, die sie trugen, das Essen, das sie aßen. Jeden Stoff, jeden Geschmack und jeden Geruch, die sie an die Zeit vor ihrer Flucht erinnern konnten, hatte sie verbannt. Sogar ihren Akzent. Sie hatte hart daran gearbeitet, sich etwas von den Sprechgewohnheiten des Südens anzueignen. Bubba-Sprache

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