Das Rascheln von Rosmarin (Historische Romane) (German Edition)
der anderen Seite ihres Vaters Platz nahm, sagte Merle, „Sir Dirick ist erst kürzlich von Frankreich wieder hier eingetroffen – aus Paris, glaube ich. Ich kannte seinen Vater recht gut und er wird wohl eine Weile bei uns bleiben.“
In dem Moment traf Allegra, Merles Ehefrau, ein. Dirick fielen sofort die Unterschiede zwischen den beiden Frauen auf, die jetzt am Tisch des Hausherren saßen. Außer dem gleichen, sehr sinnlich geschwungenen Mund und einem Teint wie Milch und Honig, ließ nichts hier auf Mutter und Tochter schließen.
Während die Herrin des Hauses sicherlich schön zu nennen war, war sie dies auf eine fast verblasste Art, die nur teilwiese auf das Alter zurückzuführen war. Dagegen funkelte ihre Tochter nicht nur durch die Wahl ihrer Gewänder und wegen ihres Schmucks, sondern auch wegen ihrer Augen und ihrer Haltung. Sie war das unbändige Leben selbst, während ihre Mutter zurückhaltend und unterwürfig war.
Dirick teilte sich den Brotteller mit Lady Allegra und während Gedanken ihm fieberhaft durch den Kopf schossen, beschäftigte er seine Hände damit, sie so ausgesucht elegant zu bedienen, wie er es als vollendeter Höfling gelernt hatte. Kaum hatte sie von ihrem Wein genippt, füllte er ihr den Becher auf. Mit dem Messer, das er an seiner Hüfte trug, war ihr Fleisch rasch in mundgerechte Bissen zerteilt. Sie hatte die besten Stücke des Brotes und die süßest duftenden Fischportionen. Und sie kam in den Genuss charmanter, höflich galanter Unterhaltung – etwas, worin Dirick reichlich Übung hatte.
Er merkte erst, nachdem das Abendessen etwa halb vorüber war, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte, weil er einen wütenden Aufschrei von Merle erwartete, wenn Maris ihm dann von ihrer Begegnung berichtete. Als der ausblieb, begann er sich zu entspannen und Allegras Gesellschaft zu genießen. Obwohl sie nicht viel redete, stellte sie doch ein paar Fragen und kicherte bei seinen Scherzen wie ein junges Mädchen. In solchen Momenten blitzten ihre Augen etwas auf und sie sah nicht mehr ganz so verblasst aus, wie sie ihm vorher erschienen war.
„Man sagt, jetzt wo die Christmette vorüber ist, wird der König über den Kanal setzen, um mit Geoffrey abzurechnen“, sprach Merle zu Dirick, als einer der Pagen eine neue Platte brachte. Auf dieser war gefüllter Steinbutt angerichtet.
Dirick nickte und kaute langsam an seinem Brot. Zwar musste er darauf Acht geben, was er sagte – denn schließlich war er erst kürzlich aus Paris eingetroffen, und nicht aus Westminster von der Seite des Königs. Aber dann wiederum: vieles von dem, was hier gesagt wurde, würde nur von ihnen vier gehört werden. Keine der beiden Damen wäre imstande viel von seinen Worten zu verstehen, also musste er nicht übermäßig vorsichtig sein.
„So ist es“, erwiderte er. „Ich hörte, dass Geoffrey seine Länder zum Krieg rüstet – und behauptet, dass der alte König Heinrich wollte, dass sein Sohn Anjou an Geoffrey abgibt, sobald er den Thron Englands bestiegen hat.“
„Ist Matilda immer noch in Westminster bei Heinrich?“, fragte Merle.
„Ja. Sie war es, die ihn davon abgehalten hat, nach Irland überzusetzen, um Länder für seinen Bruder William zu erobern. Mit Geoffrey, der die Dinge in Anjou aufmischt, hat der König schon genug Ärger jenseits des Kanals, so dass er hier keinen weiteren Krieg anzuzetteln braucht. Die Gerüchte sagen auch, dass die Vasallen des Königs ihn nicht sonderlich lieben.“
Merle schnaubte leise in seinen Weinbecher, als er einen großen Schluck nahm. „Der König hat alle Hände voll zu tun“, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. „Aber er ist ein rastloser Mann, der den Krieg liebt.“
„So ist es. Und während es in Aquitanien brodelt und man nach Eleonore verlangt, ist Geoffrey gerade dabei, sich Anjou einzuverleiben.“ Dirick wischte sich die Hände an einem feuchten Tuch ab, das ein Page ihm anbot. „Und die Königin ist wieder enceinte “, fügte er noch mit leiser Stimme hinzu.
„Dann wird sie ihren Mann nicht über den Kanal begleiten?“, fragte Maris, die sich um ihren Vater herum nach vorne lehnte, um ihn anzublicken.
Dirick zuckte zusammen, weil er angenommen hatte, dass die Unterhaltung nur von ihm und Merle gehört worden war, aber er fasste sich rasch wieder. „Nein, Mylady. Sie bleibt in Westminster – so lauten die Gerüchte –, weil sie in anderen Umständen ist.“
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