Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
Hand aus, zögerte und strich dann sanft über die knochige Stirn des Giganten.
„Drache? Ich bin es, Rupert – ich muss mit dir sprechen. Ich brauche Hilfe.“
Der Drache schlief ungerührt weiter. Rupert kauerte im schmutzigen Stroh und starrte den Kampfgefährten verzweifelt an. Eine Welle der Mutlosigkeit schwappte über ihn hinweg. Tief in seinem Inneren hatte er immer geglaubt, der Drache werde zumindest dann an seiner Seite sein, wenn er zu seinem letzten Kampf in den Düsterwald hinauszöge. „Ich hätte es besser wissen müssen ...“, dachte er. Erst Julia, dann der Erzmagier und nun der Drache. Er hatte kein Recht, von einem von ihnen etwas zu fordern, und es wäre ihm nie eingefallen, Beistand zu verlangen, selbst wenn er einen Anspruch gehabt hätte.
Aber er hätte es begrüßt, wäre einer der drei an seiner Seite gewesen. Damit er das Dunkel nicht allein ertragen musste. Rupert seufzte. Ihm kam in den Sinn, wie der Drache hoch aufgerichtet auf der Lichtung gestanden und Dutzende von Dämonen mit seinem Feueratem getötet hatte. Er erinnerte sich, wie er auf der gleichen Lichtung zusammengebrochen war, mit halb zerfetztem Flügel, während ihm goldenes Blut in Strömen über seine Flanken floss. Sterbend in der Finsternis, weil Rupert ihn in den Düsterwald geführt und der Drache ihm vertraut hatte.
„Schlaf weiter, Freund“, murmelte Rupert. „Ich habe kein Recht, noch mehr von dir zu verlangen.“
Er richtete sich auf, nahm die Fackel aus der Wandhalterung und ging zurück zur Stallt ür. Auf der Schwelle zögerte er und warf einen letzten Blick auf den schlafenden Drachen. Er hätte gern Abschied von seinem Freund genommen, dann wandte er sich achselzuckend ab, zog die Tür hinter sich zu und schloss ab. Der Stall war wieder in völliges Dunkel gehüllt, und nur das schläfrige, gleichmäßige Atmen des Drachen durchdrang die Stille.
Der Erzmagier lümmelte auf der Haupttreppe, blickte düster in die Runde und nahm noch einen Zug aus seiner Flasche. Der Wein war ein lausiger Jahrgang, aber er hatte keine Lust, ihn zu verbessern. Irgendwie schaffte er es nicht, sich zu betrinken, obwohl er hart daran arbeitete. Er spürte, wie der Wein seinen Magen übersäuerte, während der Geist weiterhin widerspenstig wach blieb. Seine Sicht war verschwommen, und die Beine wollten ihm nicht so recht gehorchen, aber die alten, quälenden Erinnerungen ließen sich nicht abschütteln, nicht so richtig jedenfalls. Der Erzmagier runzelte die Stirn und suchte vergeblich nach dem Text des Liedes, das er vor sich hin gesummt hatte. Er hasste es, wenn ihm Dinge nicht mehr einfielen. Er verabscheute es. Immer häufiger entdeckte er Gedächtnisl ücken. Kleinigkeiten meist, aber immerhin. „Du wirst alt“, dachte er gallig. „Zu viele Jahre auf dem Buckel. Oder zu viel Alkohol. Oder beides. Ja, beides.“ Er nahm einen weiteren tiefen Schluck. Der Wein rann ihm über das Kinn. Wenn er sich nur an den Text dieses Liedes erinnern könnte. Eleanor hatte dieses Lied geliebt.
Sie standen zusammen auf dem Balkon und betrachteten das Feuerwerk, das brillante Farben in den Nachthimmel spritzte. Hinter ihnen, im großen Saal, war der Siegesball in vollem Gang. Eine schwache Sommerbrise bauschte das Gewand des Zauberers und strich sanft über Eleanors Haar. Ihr Haar hatte die Farbe von Sommerweizen, und sie trug ein blaugoldenes Kleid, nur an ihre Augen konnte er sich nicht mehr erinnern. Im Hintergrund spielten und sangen die Minnesänger ihr Lied, halb übertönt vom Geplauder der Höflinge. Der Erzmagier betrachtete das Feuerwerk. Er hatte die Vorführung bis ins letzte Detail geplant, aber am Schluss misslang dann meist doch etwas. Grillenhafte Dinger, diese Feuerwerke. Eine Rakete barst in der Nacht, und ihr Gefunkel nahm die Form eines Löwenhauptes an. Der Erzmagier lächelte und entspannte sich. Eleanor nahm seinen Arm und schmiegte sich an ihn. Er konnte sich nicht an ihre Augen erinnern.
„Das Feuerwerk ist herrlich.“
„Danke, Majestät.“
„Müsst Ihr immer so steif sein, Herr Zauberer? In einer Nacht wie dieser sollte es keine Etikette zwischen Freunden geben. Nennt mich Eleanor!“
„Wie Ihr wünscht, Eleanor.“
„So ist ’ s besser. Wie heißt Ihr?“
„Wer den Namen eines Zauberers kennt, hat Macht über ihn.“
„Tut mir leid. Das wusste ich nicht.“
„Das konntet Ihr nicht wissen.“
„Seht doch! Das ist ein Wasserfall; wo nehmt Ihr nur die Einf älle her? Es ist eine
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