Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
werden.
Rupert stand im Schatten der Stalltüren und beobachtete, wie Julia die Frauen drillte. Schwerter, Spieße und Äxte blitzten im Fackelschein, als die Kämpferinnen Ausfallschritte, Finten und Angriffe übten. Trotz der schweren Kettenhemden, die sie alle trugen, wirkten ihre Bewegungen anmutig und elegant. Julia ging auf und ab, ermunterte die Frauen mit einem Lächeln oder ein paar Worten und zeigte geduldig die schwierigeren Hiebe und Ausweichmanöver. Im zuckenden Licht der Fackeln sah sie aus wie eine der schlanken, hochgewachsenen Kriegsgöttinnen von einst, die ihre Gläubigenschar in der Kunst des Kämpfens unterrichtete.
Sie war gekleidet wie damals, als Rupert sie kennengelernt hatte, und er war nicht sicher, warum gerade das ihn so sehr schmerzte. Mit ihren alten Sachen, das lange, hellblonde Haar zu schlichten, praktischen Zöpfen geflochten, die im Nacken zusammengehalten wurden, erschien sie ihm wie eine einzige bittere Anklage, eine Erinnerung an die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, an die Zeit vor seiner Heimkehr auf die Burg. Damals war er so glücklich gewesen.
„Ich wünschte, du würdest hingehen und mit ihr reden“, sagte Brise. „Es macht mich ganz nervös, wie du hier herumstehst und dich hängenlässt.“
„Es gibt nichts mehr zu bereden“, antwortete Rupert ruhig. „Sie heiratet Harald – aus freien Stücken.“
„Klar“, spöttelte das Einhorn, „und Dämonen sind Pflanzenfresser. Du urteilst zu hart. Wenn sie Harald ehelicht, dann nur, weil der Hof sie unter Druck gesetzt hat. Sie hatte von Anfang an keine Wahl, oder?“
„Ich weiß nicht“, sagte Rupert entkräftet. „Ich weiß gar nichts mehr.“
„Reiß dich am Riemen!“, forderte ihn Brise auf. „Wir reiten bald in die Dunkelheit hinaus. Da kannst du deine ganze Wut an den Dämonen auslassen. Die werden nicht wissen, wie ihnen geschieht.“
„Ja. Klar.“
Auf dem Burghof schaute Julia plötzlich zu den Ställen herüber, und Rupert trat rasch zurück, ehe sie ihn erspäht hatte. Er begriff seinen Zorn selbst nicht. Schließlich war es ihr Leben, und sie hatte das Recht, darüber zu entscheiden. Er kannte sie nicht mal richtig. Sie hatten ein paar Monate zusammen verbracht, und dann hatte er sich auf die Reise zum Dunklen Turm begeben und sie auf der Burg zurücklassen müssen. Nach so vielen Monaten der Trennung und in der berechtigten Annahme, er habe unterwegs den Tod gefunden, war zu erwarten gewesen, dass sich Julia einem anderen zuwandte, und Harald hatte schon immer verstanden, seinen Charme bei Frauen einzusetzen. Es war unvermeidbar gewesen, dass die beiden zusammenfanden.
„Sei dem, wie es sei“, dachte Rupert grimmig. „Aber dieser Hundsfott kann nicht noch verlangen, dass ich ihm den Trauzeugen mache.“
Er kehrte der Stalltür den Rücken zu und zerrte wütend an seinem neuen Kettenpanzer. Das Oberteil war augenscheinlich für jemanden gefertigt, der größer und in den Schultern sehr viel breiter war als er, und an den wenigen Stellen, wo das Ding tatsächlich eng genug saß, scheuerte es unbarmherzig die Haut wund. Die Ärmel waren zu lang, die Hose warf Falten, und die Taille verrutschte ständig. Zu allem Übel fiel ihm fortwährend die Kapuze in die Augen.
Rupert stapfte zwischen den Boxen auf und ab und versuchte, sich an die Rüstung zu gewöhnen, gab aber bald auf. Es konnte Wochen dauern, bis eine neue Rüstung richtig passte, aber die Zeit hatte er nicht. Er musste das gottverdammte Metall nehmen, wie es war.
„Das ist wieder typisch“, grollte er nach einer Weile.
„Was?“
„Da stehe ich in einer blitzblanken, neuen Rüstung, soll in Kürze in den Düsterwald ausrücken und das Böse bekämpfen, und mir fällt nichts Besseres ein, als dringend aufs Klo zu müssen.“
Brise grinste gefühllos. „Das sind die Nerven, mein Lieber. Versuch, an etwas anderes zu denken.“
„Du hast gut reden. Du urinierst einfach los, wenn die Blase spannt. Ich aber muss erst mal meinen Panzer ablegen.“
„Keine Sorge“, sagte Brise. „Sobald wir das Burgtor hinter uns gelassen haben, vergeht dir beim Anblick der Dämonenhorde jeder menschliche Drang.“
„Du bist eine große Hilfe.“
„Immer gern.“
„Ach, zur Hölle damit“, fluchte Rupert und begann, vor den entsetzten Blicken des Einhorns den Kettenpanzer zu lösen.
„Um Himmels willen, was hast du vor?“
„Zuerst werde ich mich dieser scheußlichen Rüstung entledigen, und dann werde ich meine Blase
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