Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
verstehen gegeben, er werde dort bleiben, solange ihm jemand regelmäßig seine Mahlzeiten bringe. Das Burgpersonal übernahm diese Aufgabe bereitwillig und mit sichtlicher Erleichterung, da der ungezügelte Appetit des Drachen und die plötzlichen Wutausbrüche der Prinzessin es bis dahin ständig in Trab gehalten hatten.
„Wie geht es dir?“, fragte Julia, und er zuckte leicht mit den Flügeln.
„Besser, schätze ich. Der Zauberspruch für den Weg über den Regenbogen hat meine ganze Kraft gekostet. Dann fielen die Dämonen über mich her und zerrissen mich mit ihren Fängen und Klauen, und schließlich musste ich noch Feuer spucken, und das hat weh getan, Julia, bis ins Mark. Als Rupert den Regenbogen rief, lag ich im Sterben.
Wie es scheint, hat selbst wilde Magie ihre Grenzen. Sie hat mir das Leben gerettet, aber heilen kann mich nur die Zeit. Ich werde bald in Winterschlaf fallen müssen, bis alle Blessuren geheilt sind. Wenn ich noch heilen kann. Die Magie verschwindet, und Zauberwesen wie ich gehen harten Zeiten entgegen.“ Der Drache lächelte gedrückt. „Vielleicht werde ich auch nur alt … sogar für einen Drachen. Ich habe seit über dreihundert Jahren nichts mehr von einem Artgenossen gehört oder gesehen. Möglicherweise bin ich der Letzte. Der letzte Drache der Menschenwelt.“
„Dreihundert Jahre“, wiederholte Julia langsam. „Hast du dich nie einsam gefühlt?“
„Drachen sind im Allgemeinen nicht sehr gesellig. Jeder hat sein eigenes Gebiet und seine eigenen Schätze und wacht eifersüchtig darüber, dass ihm weder das eine noch das andere abhandenkommt. Aber du hast recht. Es gab in diesem letzten Jahrhundert Zeiten, da ich mich nach dem Anblick eines anderen Drachen sehnte. Es ist so lange her, seit ich mit meinen Brüdern mit dem Nachtwind gesegelt bin … so endlos lange.“
„Wenn das alles vorbei ist, machen wir uns auf die Suche nach anderen Drachen“, sagte Julia.
„Ja“, stimmte der Drache leutselig zu. „Wenn das alles vorbei ist.“
Julia starrte ins Holzgebälk unter dem Strohdach und horchte auf das Plätschern des Regens. „Glaubst du, dass mit mir etwas … nicht stimmt?“
„Nein. Warum?“
„Es sind diese gottverdammten Hofdamen. Sie tun, als sei ich nicht normal, weil ich nicht heiraten und eine Familie gründen will. Dafür bin ich nicht bereit. Noch nicht.“
„Dann lass es“, sagte der Drache.
Julia blickte finster. „Nur … manchmal frage ich mich, ob sie nicht recht haben. Meine Freundinnen und meine Schwestern sind alle verheiratet und wirken eigentlich ganz zufrieden. Meist jedenfalls. Vielleicht haben sie recht. Eventuell lasse ich mir was entgehen. Ich sehe nur nicht ein, warum ich für den Ehebund mein Ich aufgeben muss. Ich soll Harald heiraten, aber der versteht unter einer Frau eine Mischung aus Bettgesellin und Dienstmagd. Das kann der Typ vergessen, echt, und wenn er mich noch einmal kneift, ramme ich ihm das Knie so in die Eier, dass er in Zukunft im Knabenchor singt!“
Sie unterbrach sich und fuhr dann versonnen fort: „Das gehört mit zu den Dingen, die mich verunsichern. Wenn ich so etwas zu einer Hofdame sage, kriegt sie Zustände und schreit nach Riechsalz. Ein paar klare, ehrliche Worte gelten in diesen Kreisen nicht nur als rückständig, sondern auch als unweiblich. Findest du mich unweiblich?“
Der Drache lachte leise. „Julia, ich verstehe nicht viel von menschlichen Verhaltensmustern, aber wenn du eines dieser hilflosen, domestizierten Weibchen wärst, hättest du wohl kaum den Düsterwald überlebt. Oder heute Nachmittag deine Entdeckungstour durch den Südflügel.“
„Da hast du verdammt recht“, sagte Julia. „Warum also können sie mich nicht in Frieden lassen?“
„Du bist eine Prinzessin“, erwiderte der Drache. „Du hast deine Pflichten. Das weiß sogar ich.“
Julia rümpfte verächtlich die Nase, hob einen Strohhalm vom Boden auf und kaute auf seinem Ende herum. „Eine Prinzessin! Und deshalb ist es mir verboten, zu denken, zu fühlen oder zu hoffen? Deshalb kann mir hier jeder Vorschriften machen, wie ich mich zu kleiden, auszudrücken und zu benehmen habe? Deshalb muss ich einen Mann heiraten, den ich nicht liebe? Die können mich alle mal!“
Der Drache drehte mühsam den Kopf nach hinten, um sie genauer zu betrachten. „Nun kommen wir dem wahren Grund deines Kummers allmählich näher, hm?“
„Ja“, sagte Julia ruhig. Sie studierte eingehend den Strohhalm in ihrer Hand und schleuderte
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