Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
und bedrängte sie weiter. Julia vermutete, dass sie sich geschmeichelt fühlen sollte, aber dem war nicht so. Harald konnte durchaus charmant sein, wenn er sich anstrengte; Julia allerdings lie ß sich weder von seiner Muskel protzerei noch von plumpen Andeutungen über seinen Wohlstand und seine künftige Stellung als Herrscher des Waldkönigreichs beeindrucken. Stattdessen gab sie ihm durch zarte Winke, einen gelegentlichen Tritt oder den Versuch, ihn über die Brustwehr zu schubsen, zu verstehen, was sie für ihn empfand. Zu ihrem Leidwesen kam die Botschaft nicht bei ihm an. Julia mied Harald, so gut sie konnte, und die meiste Zeit herrschten zwischen ihnen eine Art Waffenstillstand und das stillschweigende Einverständnis, nie das Wort Hochzeit auszusprechen.
Aber das änderte nichts daran, dass sie sich langweilte und einsam fühlte. Die Hofdamen sprachen nicht mit ihr, die Höflinge sahen betont an ihr vorbei, und die Gardisten wollten sich nicht mehr mit ihr duellieren, weil es blöd aussah, wenn sie gegen eine Frau verloren. Als der König sie zur Audienz zitierte, ging sie der Abwechslung halber hin.
Julia warf einen finsteren Blick auf die geschlossenen Türen der großen Halle, und ihre Hand zuckte in Richtung Schwertheft. Ihre Miene verdüsterte sich, als sie ins Leere griff. Ohne das Schwert an ihrer Hüfte fühlte sie sich immer noch nackt, aber König John hatte ihr ausdrücklich verboten, die Waffe im Schloss zu tragen, und sie war es leid, ständig mit ihm zu streiten. Deshalb lag das Schwert, das Rupert ihr im Düsterwald gegeben hatte, wohlverwahrt in ihrem Schlafgemach, unbenutzt bis auf die wenigen Stunden, wenn sie auf dem Hof übte. Julia seufzte. Eigentlich brauchte sie das Schwert nicht. Sie konnte sich auch ohne Waffe ganz gut verteidigen, und für Notfälle hatte sie immer noch ihren Dolch im Stiefelschaft.
Julia lümmelte in ihrem Sessel und starrte schlecht gelaunt im Vorzimmer umher. Sie war versucht, einfach aufzustehen und zu gehen, aber die Neugier hielt sie fest. Der König musste einen guten Grund haben, wenn er ihre Anwesenheit bei Hofe verlangte, und Julia wurde das unbehagliche Gefühl nicht los, dass ihr einiges an Ärger bevorstand, sobald sie erfuhr, worum es ging. Also biss sie die Zähne zusammen und blieb. Ein böses Lächeln glitt über ihre Züge, als sie das verschlossene Portal betrachtete. Die Schreiner hatten ihr Bestes gegeben, doch obwohl die Türflügel wieder einigermaßen gerade in den Angeln hingen, war es nicht gelungen, die tiefen Kratzer und Schrammen zu beseitigen, die die Klauen des Drachen in den Eichenbohlen hinterlassen hatten.
Julia runzelte die Stirn, während sie den auf- und abschwellenden Stimmen jenseits der Tür lauschte. Die Höflinge hatten einander schon bei ihrer Ankunft heftige Wortgefechte geliefert, und allem Anschein nach ging der Streit munter weiter. Das Wortgefecht war gerade laut genug, um ihre Neugier zu wecken, aber zu leise, als dass sie etwas verstehen konnte, und Julia kam zu dem Schluss, dass es nun reichte.
Sie sprang auf, ließ die Blicke durch das spärlich möblierte Vorzimmer schweifen und grinste boshaft, als ihr ein verwerflicher Einfall durch den Kopf schoss. Diese Hofschranzen würde n sie in Zukunft nicht mehr warten lassen! Sie musterte einen Augenblick lang die Gobelins, riss den scheußlichsten herunter und stopfte ihn in den schmalen Spalt zwischen Schwelle und Portal. Dann holte sie eine der flackernden Fackeln aus ihrem Halter, kniete nieder und zündete den Gobelin an mehreren Stellen gleichzeitig an.
Er brannte gut, unter Entwicklung prächtiger Qualmwolken, und Julia schob die Fackel wieder in ihren Halter und harrte ungeduldig der Dinge, die da kommen mussten. Eine Zeitlang zuckten und knisterten die Flammen unbemerkt, und Julia überlegte schon, ob sie mit einer kleinen Öllampe nachhelfen solle, als das Stimmengewirr jenseits des Portals plötzlich verstummte. Sekunden später zerrissen gellende Rufe die Stille. Julia verstand: „Feuer!“ und spürte die Panik, die sich hinter den Eichenbohlen ausbreitete – Fluchen, Geschrei und kopfloses Herumrennen. Die Türen flogen auf und gaben den Blick auf Harald frei, der Julia zunickte und einen Krug Tafelwein über den brennenden Wandbehang goss, was die Flammen sofort erstickte.
„Hallo, Julia“, sagte er lässig. „Wir hatten dich schon erwartet.“
Sie schob sich an ihm vorbei. Er zwickte sie feixend ins Hinterteil und wich erschrocken zur
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