Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
Seite, als ihr Dolch dicht an seinem Ohr vorbeipfiff.
„Meterweit daneben“, spottete er, hielt aber einen Sicherheitsabstand ein, während er sie durch die Schar der aufgeregten Höflinge führte. „Heißt das, du erliegst allmählich meinem Zauber?“
„Nein“, antwortete Julia. „Es heißt, ich muss wieder mehr üben.“
Harald geleitete sie lachend zum Thron. Der König streifte sie mit einem müden Blick.
„Prinzessin Julia, warum könnt Ihr nicht anklopfen wie jeder andere Mensch?“
„Man hat mich fast eine Stunde warten lassen!“, blaffte Julia.
„Ich muss mich noch um andere Probleme kümmern als um Euch.“
„Na schön, dann komme ich wieder, wenn Ihr mit diesen anderen Dingen fertig seid.“
Sie wandte sich zum Gehen und sah, dass ihr ein halbes Dutzend Schwerbewaffneter den Weg versperrte.
„Prinzessin Julia“, sagte König John ruhig, „Euer Benehmen lässt sehr zu wünschen übrig.“
„Pech“, meinte Julia. Sie bedachte die Wachen mit einem finsteren Blick und drehte sich dann zögernd zum Thron um. „Also gut, was wollt Ihr?“
„Für den Augenblick wartet einfach ruhig, bis ich meine übrigen Geschäfte erledigt habe. Harald kann Euch Gesellschaft leisten.“
Julia schniefte verächtlich, raffte ihren knöchellangen Rock und setzte sich auf die unterste Stufen des Thronpodests. Die Marmorstufe war kalt, aber sie wollte verdammt sein, wenn sie hier dämlich im Saal herumstand, bis König John geruhte, mit ihr zu sprechen. Es ging ums Prinzip. Harald kam und setzte sich mit einer Armlänge Abstand neben sie. Julia lächelte, zog den Dolch aus ihrem Stiefel und ritzte Drei-gewinnt-Linien in den Teppich zwischen ihnen. Harald grinste, zog auch einen Dolch aus dem Stiefel und schnitt ein Kreuz in das mittlere Quadrat. Der König tat, als hätte er nichts gesehen.
Er schloss einen Moment lang die Augen und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder den drei Männern zu, die mehr oder weniger geduldig vor seinem Thron standen. Mit Landgraf Blays hatte er bereits früher Verhandlungen geführt, doch die beiden anderen kannte er nicht. Die drei traten als Gruppe auf, ein Zeichen dafür, dass sich die Barone auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hatten; aus den lauernden Blicken, mit denen die Männer einander unentwegt beobachteten, ließ sich allerdings ableiten, dass zwischen ihnen bestenfalls eine brüchige Allianz bestand.
Der König lehnte sich l ächeln d in seine Kissen zurück. Säe Uneinigkeit und siege. Sorge dafür, dass sie sich in die Haare geraten, dann ist es mit der Solidarität bald vorbei!
Er nahm sich Zeit, um die drei Landgrafen sorgfältig zu studieren. Sie sollten ja nicht glauben, sie könnten ihn aus der Fassung bringen. Landgraf Blays stand in der Mitte, ein gedrungener Mann mit kurzem, ergrautem Haar und tiefliegenden, scharfen Augen. Er sprach mit sanfter, besonnener Stimme und spielte gern die Rolle des ehrerbietigen, liebenswürdigen Zuhörers, doch damit täuschte er höchstens Leute, die ihm zum ersten Mal begegneten. Der König dagegen kannte ihn seit fast zwanzig Jahren.
Der beeindruckend muskulöse Mann rechts von ihm, der sein Temperament kaum zu bezähmen vermochte, musste Landgraf Bedivere sein. Dem Vernehmen nach hatte er ein Dutzend Gegner im Zweikampf getötet. Es ging das Gerücht, er habe die meisten dieser Zweikämpfe aus reinem Blutdurst provoziert, aber niemand hätte gewagt, ihm das ins Gesicht zu sagen. Er war jung und hatte etwas Ausschweifendes, Rücksichtsloses an sich, das auf Frauen gewiss attraktiv wirkte; der König bemerkte aber auch Spuren der Schwäche und Hemmungslosigkeit in Landgraf Bediveres verquollenen Augen und der schmollenden Unterlippe. Eines Tages würde er eventuell den Ersten Ritter ersetzen. Wenn er lange genug lebte.
Der stille, ängstliche Mann zur Linken Landgraf Blays’ war Landgraf Guillam, ein Mann von so alltäglichem Äußeren, dass man geneigt war, ihn zu übersehen. Er war eher groß als klein und ein wenig zu dünn; auf seinem Leib saß ein dicker Kopf mit einem nichtssagenden Kindergesicht. Sein schütteres Haar war mausbraun und mittelgescheitelt. Die hellgrauen Augen blinzelten unruhig, während er unter dem Blick des Herrschers unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. König John hielt die Hand vor das Gesicht, um seine Freude zu verbergen. Guillam war der Typ, der jede Weisung bis aufs i-Tüpfelchen befolgte, hauptsächlich, weil er nicht die Intelligenz besaß, selbständig zu
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