Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
reißen?“
„Es gab genug Leute, die es versucht haben.“
„Was geschah mit ihnen?“
„Wir wissen es nicht. Keiner kehrte je zurück.“
„Na, toll!“, meinte Julia. „Mir fällt auf, dass Ihr das vor unserem Aufbruch mit keinem Wort erwähntet.“
„Ich dachte, Ihr wüsstet es.“
„Gesetzt den Fall, wir finden das alte Arsenal“, sagte Julia, „was mir immer unwahrscheinlicher vorkommt, je länger ich darüber nachdenke, würdet Ihr Curtana dann überhaupt erkennen?“
Der Seneschall starrte ins Schwarz des rechten Korridors und lächelte grimmig. „Curtana ist ein Kurzschwert, bestenfalls einen Meter lang, und besitzt keine Spitze. Vor vielen hundert Jahren hieß es noch Schwert der Gnade. Man überreichte es jedem Waldkönig bei der Krönung als Symbol der Gerechtigkeit, die durch Mitleid gemildert wird. Dann bestieg Jakob VII. den Thron. Er nahm Curtana und ließ eine schwarze Zaubergemme in den Griff einarbeiten. Dieser Stein versklavte die Gedanken aller, die ihn sahen. Der Legende nach hatte ihn Jakob vom Dämonenprinzen persönlich erhalten, doch die Berichte aus jener Epoche sind spärlich. Es war eine Zeit des Mordens und des Wahnsinns, in der Curtana zum Schwert des Zwangs wurde, zum Symbol der Tyrannei. Seit dem Sturz König Jakobs hat niemand mehr diese Klinge gezogen, aber es heißt, sie verbreite selbst wohlverwahrt in ihrer Scheide eine Aura von Blut, Tod und Schrecken. Ich habe Curtana nie gesehen, aber ich glaube nicht, dass es mir schwerfiele, es zu erkennen.“
Der Seneschall wandte sich ab und warf einen verärgerten Blick auf die Männer der Leibgarde, die in s Dunkel spähten und argwöhnisch ihre Schwerter umklammerten. „Wenn Euch im Moment keine Fragen mehr einfallen, Prinzessin, sollten wir unseren Weg fortsetzen, ehe diese Neandertaler auf den Gedanken verfallen, ihre Initialen in die Holzpaneele zu ritzen.“
Er wartete gereizt, bis jeder der Bewaffneten seine Laterne entfacht hatte, und drang dann unerschrocken in die Finsternis des rechten Korridors vor.
„Ist der Mann noch zu retten?“, dachte Julia, während sie und die Wachen sich bemühten, den Seneschall einzuholen. „Nichts gegen Furchtlosigkeit und Heldenmut, aber das geht ein Stück zu weit. Erst erzählt er mir Schauergeschichten über Suchtrupps, die nie zurückkehrten, dann prescht er ins Dunkel, ohne einen einzigen Kundschafter vorauszuschicken.“ Julia schüttelte griesgrämig den Kopf. „Ich hätte mein Schwert nie aus der Hand geben dürfen.“
Die Schritte der kleinen Expedition hallten dumpf von den staubigen Wänden wider, aber selbst das schwache Echo klang in der unheimlichen Stille des Gangs unnatürlich laut. Die Männer drängten sich zusammen und hielten die Laternen hoch, doch die Finsternis schien den kleinen Lichtkreis gierig aufzusaugen. In dem düsteren Halbdunkel fiel es schwer, die Entfernungen abzuschätzen, und Julia fragte sich, ob der verdammte Gang denn überhaupt kein Ende mehr nehmen wollte. Sie warf einen Blick zurück, aber die Stelle, an der sich der Gang verzweigt hatte, war längst in der Schwärze versunken. Wenn sie angestrengt lauschte, hörte sie ein leises Rascheln, erkannte aber nicht, woher es kam. „Wahrscheinlich Ratten“, dachte sie und umklammerte ihren Dolch noch fester. „Nach zweiunddreißig ungestörten Jahren müssen sie ja denken, dieser Teil der Burg gehöre ihnen.“
„Wie kann man einen ganzen Flügel aus den Augen verlieren?“, fragte sie. Es war beruhigend, die eigene Stimme zu hören.
„Allem Anschein nach ging einer der Zaubersprüche des Astrologen schief“, entgegnete der Seneschall zerstreut, während er im Schein der Laterne, die ein Leibgardist hochhielt, unschlüssig seinen Plan studierte. „Niemand weiß, was er vorhatte, und da er sich immer noch geniert, darüber zu sprechen, werden wir es wahrscheinlich nie erfahren. Jedenfalls kam es zu einer großen Explosion, und plötzlich endeten die Türen und Korridore, die bis dahin zum Südflügel geführt hatten … anderswo. Die meisten Menschen, die sich in diesem Teil der Burg aufhielten, fanden zwar den Weg nach draußen, aber es gab keinen Weg mehr nach drinnen, und einige Leute blieben der Legende nach für immer verschollen.“
„Furchtbar.“ Julia presste zitternd die Hände vors Gesicht.
„Wenn Euch die Antworten nicht gefallen, dürft Ihr keine Fragen stellen“, sagte der Seneschall schroff. „So, und jetzt bitte ich mir Ruhe aus. Ich versuche, mich zu
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