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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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hatte
er gefunden, wie eine Sonate von Mozart oder Beethoven, von wem auch immer.
Diese Feststellung hatte sie erneut zum Lachen gebracht. »Du bist mir ja
vielleicht ein musisches Kerlchen!«, hatte sie gesagt. »Hat deine Mama dich in
die Musikschule geschickt?«
    Ihre Finger liefen rasch über ein unsichtbares Klavier,
sie hüpfte und sprang in die Sonne und hinaus in die taunassen Wiesen, ihre
Füße hinterließen Abdrücke im Gras, denen er hinterher hechelte, dann kugelten
sie einen Abhang hinunter und dann machten sie sich übereinander her und dann
machten sie Liebe. Er hatte gezittert an ihr, ohne Atem, ihre Zungenspitze an
seinem Körper, seine Hände an ihrem. Sie bewegte ihr Haar im Wind, der nach
Sommer roch, nach Sahara und Heu, das trocknete auf den Wiesen, und ihre Augen
leuchteten wie Haselnüsse in Öl.
    Wir haben den Herbst nicht gehabt, dachte Ben, und kaum den
Sommer. »Bis bald«, hatte sie gesagt und gelächelt. Dann war sie nicht
wiedergekommen. Klatschmohn und Holunderblüten im Fluss, das Messer flirrte.
Sie hatten die Stille gehabt, den Wind, die Bäume und die Klarheit, die dem
Herzen entsprang. Ihre Berührungen, dachte er, und sein Schwanz wurde ihm hart
in der Erinnerung, ihre Berührungen waren wie Schaum auf nächtlichem Wasser. So
war es gewesen, das konnte er beschwören. Nicht von Anfang an ein Abschied.
     
    Herz hatte Arthur angerufen. Seinen Arsch solle er, am
besten gestern, in Bewegung setzen und ihn abholen. Alles, was er ihm zuvor
aufgetragen habe, sei hinfällig. Gefahr im Verzug. Fragen, warum, weshalb,
wieso, könne er sich sparen. Diskretion sei das Gebot der Stunde. Diskretion
gegenüber allen und jedem. Kurz und gut: Gehirn ausschalten, Maul halten, Gas
geben. Er, Herz, verlasse sich.
    Arthur ging mit ziemlich viel Enthusiasmus und in der
vorgegebenen Reihenfolge ans Werk, was Herz wieder einmal in ihrer Entscheidung
für ihn bestätigte.
    Die Wartezeit überbrückte Herz mit dem Sichten der
Besucherprotokolle, die aber keine Sensation lieferten. Franzas Flucht... und
anders konnte man ihr Verschwinden beim besten Willen nicht nennen ... hatte
ihn einigermaßen verwirrt. Schließlich konfrontierte er die junge
Mitarbeiterin, deren Namen er sich gar nicht erst merken wollte, mit der
Tatsache, dass Marie sich prostituiert hatte, und der Frage, ob sie etwas
darüber wisse. Sie wusste nichts, schien aber überrascht, möglicherweise auch
schockiert. Wie immer tat sich Herz ein bisschen schwer mit dem Unterscheiden
dieser feinen Gefühlsschattierungen. Dann endlich war Arthur da, sie fuhren
zurück ins Zentrum, und Herz fluchte lautstark, weil Franza nach wie vor nicht
auf seine Anrufe reagierte. Auch Max war nicht erreichbar, und der Schauspieler
hatte eine Geheimnummer, die der Schnösel bei der Telefonauskunft aber nicht
herausrückte, übers Telefon könne ja jeder behaupten, er sei von der Kripo und
die Situation dramatisch.
    Felix schäumte, hatte aber nichts entgegenzusetzen. Arthur
hatte etwas verwundert den Namen des Schauspielers registriert.
    Schließlich gab Felix auf und brachte sein Netzwerk in
Gang, das er sich in den Jahren seiner Polizistenlaufbahn aufgebaut hatte. Wenn
es irgendwo in der Stadt einen polizeilichen oder medizinischen Notruf gab, in
dem es um eine Frau Anfang vierzig ging, die auch nur im Entferntesten eine
Ähnlichkeit mit Franza aufwies, so würde er, Herz, das sofort erfahren. Und so
war es dann.
    Der Anruf kam, da bogen Felix und Arthur gerade in die
Zielgerade zur Polizeidirektion ein.
    »A9 Richtung Berlin«, sagte der Sanitäter, mit dem Herz
hin und wieder zum Squash ging.
    »Lass mich raten«, sagte Herz. »Rastplatz. Zwischen
Lenting und Denkendorf.«
    »Bingo«, sagte der Sanitäter und schnalzte anerkennend mit
der Zunge. »Hast wohl wirklich den richtigen Beruf ergriffen. Kommst du her?
Sollen wir warten? Wir haben's gerade nicht so besonders eilig.« Arthur hatte
bereits gewendet. »Was ist passiert?«
    »Sie ist kollabiert, sieht nach Schockzustand aus. Panikattacke.
Auch die Hitze wird ihr Scherflein beigetragen haben. Aber es geht ihr schon
wieder ganz gut. Nur Autofahren sollte sie vielleicht noch nicht.«
    »Wer hat euch verständigt?«
    »Ein Türke, sprach nur sehr mühsam Deutsch. Sie lag auf
einer Bank, als wir kamen. Die türkische Familie stand um sie herum. Sie
radebrechten, dass ein Mann sie gebeten hätte, uns zu verständigen und ein Auge
auf deine Kollegin zu werfen, bis wir da wären. Er selber ist abgehauen.

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