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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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dem
nachfolgenden Auto die Vorfahrt nahm. Der Fahrer sprang auf die Bremsen,
fluchte und hupte, aber es war ihr egal, sie hatte es schon vergessen, als sie
in die nächste Seitenstraße einbog.
    Als das Handy zu klingeln begann, schaltete sie es aus und
warf es auf den Rücksitz. Sie wusste, es konnte nur Felix sein, und sie wusste,
sie konnte jetzt nicht mit ihm reden, nicht in dieser Situation, nicht in
diesen verfluchten Augenblicken dieser verfluchten Erkenntnis, die sie zu Tode
erschreckt hatte. Ben und Marie. Marie und Ben. Und von neuem. Ben und Marie.
Marie und Ben. Franzas Gedanken rotierten, drehten sich im Kreis. Ben und
Marie, Marie und Ben, was hatten sie miteinander zu schaffen, was hatte Ben in
ihren Mordermittlungen verloren? Plötzlich stiefelte er da herein, ohne
Vorwarnung, ohne Vorankündigung und machte sich breit und besetzte ihr Denken
und Fühlen.
    Es war der Bär gewesen, der ihr wie eine blitzende Nadel
ans Herz gesprungen war, ihr den Atem geraubt und ihr gezeigt hatte, was Angst
war, richtige Angst, Todesangst. Der Bär Winnie the Pooh, der niedlichste aller
Bären, eingezwängt zwischen Bettkante und Mauer, hatte in aller Unschuld unter
Maries Bettdecke gelegen. Winnie, auf dessen rotem Leibchen Bens Name
eingeritzt stand, mit schrecklicher Unbeugsamkeit, in geschliffen klarer
Konsequenz. BENNY in krakeligen Buchstaben auf Poohs rotem Leibchen in Maries
Bett, das verdammte Stofftier, das sie seit Jahren nicht mehr gesehen, dessen
Existenz sie beinahe vergessen hatte. Und nun! Fand es sich hier ...
    Faust im Magen. Im Kopf. Franza schluckte das Würgen
hinunter.
    ... fand es sich in diesem Zimmer, dieses Vieh, unter der
Bettdecke dieses Mädchens. Was hatte das zu bedeuten? Was, zum Teufel? War er,
Ben, dieser geheimnisvolle Fremde, dieser Junge, in den sie verliebt gewesen
war, den aber niemand kannte, den niemand gesehen hatte, der nur zu ahnen war,
ein Schatten, ein Nebelgespinst?
    Was hatte die Sozialarbeiterin gesagt? Dass sie anders
gewesen sei in diesen letzten Wochen. Weicher. Voller Hoffnung und Sicherheit,
es zu schaffen, dieses neue Leben, dass sie voller Zuversicht gewesen sei.
    Hatte also Ben sie so verändert, war er es, der sie
glücklich gemacht hatte?
    Hatte er sie dann ... am Ende dieses Glücks ... auch
getötet?
    Weil etwas, wie die Sozialarbeiterin es genannt hatte,
schiefgelaufen war?
    Und war dies der Grund, warum er sich nicht meldete, weil
diese Sache so schrecklich geendet hatte, so unvorhersehbar schrecklich?
    Irrte er nun irgendwo herum, auf einer fürchterlichen
Flucht vor sich selbst, vor der Verzweiflung, letztendlich vor ihr, Franza, vor
seiner Mutter, die nun aufzuklären und zu suchen und zu finden hatte?
    Nein, dachte Franza, das kann nicht sein! Das kann einfach
nicht, während sie durch die Stadt raste in mörderischem Tempo, hinaus auf die
Autobahn, all meine Ahnungen auf diese schreckliche Weise wahr?
    Vielleicht war sie auch einfach nur hysterisch, und alles
hatte sich ganz anders abgespielt. Vor einer halben Stunde noch hatte sie Hauer
als Täterin vermutet, die Sozialarbeiterin mit dem unglücklichen Liebes- und
Sexleben, die, so hätte es doch durchaus sein können, Marie aus eben jenem ein
wenig zu unsanft hinausbugsiert hatte.
    Wie schnell sich alles änderte. Und immer schien es klar
und eindeutig, auch wenn nur eine winzige Komponente sich verschob.
    Diesmal aber war es nicht nur eine winzige Komponente, es
war auch mehr als ein Indiz, es war ein handfester Beweis. Wofür aber?
    Im Grunde nur dafür, dass Ben und Marie sich gekannt
hatten, nicht einmal dafür, dass sie sich geliebt hatten. Das war alles. Warum,
zum Teufel, meldete er sich dann aber nicht, wenn er nichts zu verbergen hatte.
»Ben!«, schrie sie. »Verdammt! Warum meldest du dich nicht?« Sie reihte sich
ein Richtung Berlin, raste Kilometer um Kilometer herunter, manchmal
schlingerte der Wagen, wenn sie wie in Trance auf die Bremsen springen musste,
weil den Idioten vor, hinter und neben ihr das Fahrkönnen fehlte. Eine
eigenartige Euphorie überkam sie, was soll's, dachte sie, wenn es mich
überschlagt, dann bin ich halt weg, dann ist es halt aus. Und Ruhe. Ewige. Aber
sie war eine gute Autofahrerin. Auf Polizeiteststrecken geschult. In
Crashkursen und simulierten Verfolgungsjagden hatte sie brilliert. Unzählige
Male. Parierte alles. War vorbereitet auf die ultimative Situation X. In der
man Nerven haben musste wie Stahlseile. Und sie hatte sie. Immer gehabt. War
stolz darauf

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